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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Zigeunerin, und wenn es geht, sehen wir uns und haben ein Weilchen Spaß, und dann geht jeder wieder seiner Wege. Aber schön locker, ohne Zank und gar nichts.«
    »Nein, nein, ich will, dass du meine Frau bist … und dich schwängern, dir einen dicken Bauch machen.«
    »Ach, lass das besoffene Gelaber. Um nichts in der Welt trage ich noch einen Hungerleider aus. Sieh dir die Kleine an … jetzt bin ich diejenige, die für sie zu sorgen hat, der Kerl sitzt im Knast. Weil er den Schönen markiert und sich mit jedem anlegt. Falls ich noch mal ein Kind kriegen sollte, dann von einem Yankee mit vielen, vielen Scheinchen, aber sonst ist nichts mit Schwangerschaft … ich bin doch nicht blöd!«
    »Ja, aber …«
    »Nichts aber. Zieh dich an, damit du dich verdrücken kannst, denn es wird schon hell, und man darf dich hier nicht sehen.«
    Sie stritten noch ein wenig weiter. Rey, der nicht gehen wollte, Ivón, die wollte, dass er verschwand. Schließlich ging er hinaus in den kühlen frühen Morgen. Es war noch dunkel. Er ging direkt zu Daisys Tür. Er wollte anklopfen, tat es aber nicht. Nein. Er brauchte noch einen Schluck Rum. Und eine Zigarre. Keinen Peso besaß er mehr. Er ging weiter. Und wie immer, jedes Mal, wenn er nicht wusste, wohin, schlug er den Weg zum Bahnhof im Jesús-María-Viertel ein. »Ach, Magda, Magda.« Einen Moment lang dachte er: »Wie gut mir doch Ivón gefällt. Aber es stimmt, was sie sagt. Wenn der schwarze Klotz aus dem Knast kommt, wird er auf Streit aus sein, uns den Kopf abhacken, und wir wissen nicht einmal, wer’s gewesen ist. Sie ist klug, eine Frau, die weiß, was sie tut.« Er ging die Águila hoch. Es war fast fünf Uhr morgens. Finstere Nacht. Eine kühle Nacht. Rey nieste, mehrmals hintereinander. Ihm war ein wenig kalt, aber in der Luft lag außerdem ein penetranter, säuerlicher Geruch. In der Ferne heulten Sirenen. Aus Richtung Tallapiedra. Aus der Dunkelheit der Straßen, die von dort herführten, tauchten Tausende Menschen auf, die direkt aus dem Bett kamen. In Wolldecken gehüllt, in kurzen Hosen und Latschen, die Kinder hinter sich herschleifend oder schlafend auf dem Arm. Fast nackte Frauen. Schläfrige alte Männer und Frauen, bedeckt mit einem Handtuch oder Laken. Einige trugen Regenmäntel, viele alte Männer Umhänge aus Wolle. Alle hatten überstürzt ihre Betten verlassen und waren fortgezogen. Was war geschehen? Die Sirenen heulten beharrlich weiter, tönten immer grausiger. Rey lief gegen den Strom an. Langsam klärte sich sein Verstand. Vom Rum, vom Samenverbrauch und von der Müdigkeit. Stumpf ging er weiter. Viele Leute beugten sich über ihre Balkone. Der saure Geruch wurde ums Kapitol herum, Richtung Fraternidad-Park, noch stechender. Er setzte sich in der Nase fest. Irgendjemand fragte vom Balkon herab, was geschehen war. Man antwortete ihm: »Ammoniakaustritt.«
    »Es heißt, in Tallapiedra kann es zur Explosion kommen.«
    »Ein Haufen Leute leidet unter Erstickungsanfällen. Man bringt sie in die Notaufnahmen.«
    Von den Balkons herab wurden immer mehr Fragen laut. Die Flüchtigen kamen aus der Gefahrenzone, aus der Umgebung von Tallapiedra. Ein Patrouillenwagen mit Lautsprecher fuhr langsam durch Águila. Das Rotlicht blinkte in der Dunkelheit. Es erhellte kurz die Gebäuderuinen, die gespenstischen Leute. Die Stentorstimme eines Polizisten hallte von den Wänden wider: »Begeben Sie sich geordnet hinunter zum Malecón. Verlassen Sie diesen Bereich. Warten Sie auf dem Malecón, bis der Alarm aufgehoben wird. Vermeiden Sie Unfälle. Es besteht keine Gefahr. Vermeiden Sie alle Panik. Räumen Sie diesen Bereich, räumen Sie diesen Bereich. Geordnet, aber schnell. In Richtung Malecón. Es besteht keine Gefahr, aber Richtung Malecón.«
    Rey stieg weiter gegen die Strömung an. Es war eine Unmenge schläfriger Leute, die da mitten in der Nacht hinunter zum Malecón strömte. Der Ammoniakgeruch in der Luft wurde immer intensiver. Rey dachte an Magda: »Sie erstickt. Sie muss in ihrem Zimmer sein.« Er kam bis Monte. Feuerwehr- und Streifenwagen der Polizei. Sie hatten einen Kordon gebildet, ließen ihn nicht vorbei. Der Geruch war hier sehr stark. Die Polizisten hatten Taschentücher vors Gesicht gebunden und wurden brutal zu ihm.
    »Runter, runter, zum Malecón. Sie können hier nicht durch, Bürger!«
    Es waren Tausende Evakuierte. Auch die Sirenen der Polizeiautos und Krankenwagen heulten. Es galt, alle zu wecken und schnellstens aus ihren Häusern zu holen.

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