Der König von Havanna
Kohle.«
»Nix Sex. Rien de Sex. Nothing, nothing.«
»Fünfzig, fünfzig Dollar.«
»No money, rien de Sex, niente, niente.« Er versuchte aufzustehen, um an seine Kleidung zu kommen. Carlos drückte ihn mit einer seiner Pranken auf die Matratze und ging zu den Kleidungsstücken des Matrosen. Betrunken taumelte er ein bisschen. Er fand eine Brieftasche: sieben Dollar und Kleingeld, zwei Präservative. Er warf alles auf den Boden.
»Dieser Kerl hat mich zum Narren gehalten. Aber da hat er sich geschnitten!«
Er stürzte sich auf den Matrosen, ohrfeigte ihn.
»Hör zu, du dreistes Schwein, treib fünfzig Dollar auf, oder ich zerschmettere dich am Boden. Findest du dich nicht zu erbärmlich, um mich zum Narren zu halten?«
Der Matrose reagierte und bedeutete ihm, einen Moment zu warten. Betrunken, wie er war, stand er auf, schwankte zu seinen Kleidungsstücken und zog aus der Hemdtasche ein Klappmesser. Er schnappte es auf und versuchte Carlos anzugreifen. Es war grotesk: dieser spillerige Typ, weiß wie Papier, eher schwächlich, völlig nackt, beim Versuch, diesen Höhlenmenschen mit einem Messerchen anzugreifen. Alles geschah in Sekundenschnelle. Carlos versetzte dem Kerl eine Kopfnuss, die ihn aufs Bett schleuderte und bei der er das Messer verlor. Carlos ließ ihm keine Zeit, sich aufzurappeln. Mit großer Wut stürzte er sich auf ihn, wickelte ihn in das Laken, nahm ihn hoch, als wäre er aus Zuckerwatte, und warf ihn über den Balkon auf die Straße.
Yunisleidi und Rey standen mit offenem Mund da. Yuni sagte: »Oje, Carlos, was hast du bloß getan?«
»Ich lass mich doch nicht verarschen. Von so einem Scheißkerl.«
»Carlos, du hast ihn umgebracht!«
»Glaubst du?«
»Was heißt hier glaubst du? Carlos, du hast ihn umgebracht! Wir müssen weg von hier, und zwar sofort!«
Im Handumdrehen war Yunisleidi angezogen, ergriff ihre Tasche und gab Anweisungen: raus auf den Flur. Am hinteren Ende war ein Fenster. Von dort sprangen sie aufs Dach des angrenzenden Gebäudes. Sie rannten, übersprangen eine Brüstung und fielen auf ein anderes Dach voller Schutt eines stark verfallenen Gebäudes. Da war eine bröckelige Treppe. Sie eilten hinunter auf die Straße. Zwanzig Meter neben dem schlappen Matrosen, der auf dem breiten Bürgersteig der Monte lag, kamen sie raus. Viele Leute standen um ihn herum. Die drei konnten ihn nicht sehen. Dutzende von Schaulustigen kamen herbeigelaufen. Eilig liefen sie weiter zum Bahnhof. Sie waren sehr erschrocken und wieder stocknüchtern. In zwei Stunden fuhr ein Zug nach Guantánamo. Carlos verlor keinen weiteren Gedanken. »Yuni, wir fahren zurück nach Hause.«
»Nein, Rey und ich fahren nach Varadero. Geh du nach Hause und kühl ab. Lass dich mindestens ein Jahr lang nicht in Havanna blicken.«
Yunisleidi öffnete ihre Handtasche und gab ihm Geld. Sie küssten sich auf die Wange wie artige, liebevolle Geschwister.
»Pass auf dich auf, Carlos, mach nicht noch mehr Mist.«
»Pass auch du auf dich auf. Mann aus Havanna, pass auf das Mädchen auf.«
»Hmmm.«
Yunisleidi und Rey versteckten sich den ganzen Rest der Nacht zusammengekauert in einem verfallenen Gebäude in der Nähe des Bahnhofs. Am Morgen suchten sie eine Möglichkeit, nach Varadero zu kommen. Nichts. An den Strand ließ man nur staatliche, sehr teure Taxis heran. »Euch lassen sie außerdem gar nicht ran«, erklärte ihnen der Taxifahrer.
»Warum?«
»Ich muss euch auf der Brücke absetzen, und von dort lassen sie euch nicht weiter … na ja, ihr seht zwar nicht gerade aus, als wolltet ihr anschaffen oder so, aber … na, ihr wisst schon …«
Am Ende schafften sie es, nach Matanzas zu gelangen. Yunisleidi sprach mit einem LKW-Fahrer. Sie stieg vorne auf den Beifahrersitz, Rey hinten drauf. Der Laster transportierte Sand. Ein paar Mal ging vorne in der Fahrerkabine etwas vor sich. Der Laster hielt am Straßenrand, und man hörte den Fahrer schnauben. »Hm, ich sehe besser nicht nach«, dachte Rey und ärgerte sich, dass er Sand bis zum Arsch hatte. In Matanzas brachte der Typ sie zu einem seiner Freunde, Fahrer eines Betonmischers. Er verlangte zehn Grüne von ihnen. Yuni bot ihm fünf. In Ordnung, fünf. Sie stiegen in die Mischtrommel. Und wie sollte es anders sein, gab es drinnen Reste von Beton und angetrockneten Sand. Nicht gerade gemütlich. Der Laster hielt auf der Hubbrücke. Kontrolle, Durchsuchung, alles in Ordnung. Niemand kam auf die Idee, in den Mischer zu sehen.
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