Der König Von Korsika
Lebens auch den Geber leichter und fröhlicher stimmen müsse.
Alfons’ Hauptgläubiger war der alte Pujol, zu dem der junge Mann, die Zunge im Mundwinkel, das Verhältnis eines Sohnes zugleich kultivierte und spielte. Er bewunderte die finanzielle Bewegungsfreiheit, in der der Kaufmann lebte wie in einer bequemen Strickweste. Ein Ehrenmann war er selbst, das vermißte er nicht an seinem Wirt, aber dessen weltoffenes Parlando, seine Fähigkeit, zu jedem Thema etwas beizusteuern – nichts Weltbewegendes, aber einfach die Zähne auseinanderzubekommen – gestaltete das Leben soviel angenehmer. Pujol machte auf Alfons den Eindruck eines Mannes, der zu seiner Zeit gehörig über die Stränge geschlagen und Fünfe hatte gerade sein lassen und der ähnlichen Anwandlungen bei einem jungen Mann mit
von selbstzufriedener Erinnerung getränktem Wohlwollen gegenüberstand.
Ging er ihn um Stundung des Mietzinses an oder erzählte beim Wein von seinen Spielschulden, reagierte Pujol mit abwinkender, komplizenhafter Selbstverständlichkeit – aber Baron, reden wir doch nicht von solchen Dingen. Ich weiß doch ganz genau, was solche momentanen Verlegenheiten sind, ein Wort mehr, und Sie beleidigen mich, junger Freund! -, daß das westfälische Prinzlein zu Zeiten überzeugt war, es tue dem Hausherrn einen Gefallen, indem es ihn an seiner Stelle bezahlen oder sich Geld vorstrecken ließ.
Auf eine kompliziertere Weise, als er dachte, hatte Alfons damit nicht unrecht. Pujol empfand eine ehrliche Zuneigung zu dem jungen galand . Bei einer Geselligkeit wie der heutigen war seine hübsche Larve, seine sorglose gute Laune ihr Geld wert. Auch war es dem verwitweten Kaufmann angenehm, abends nach Tisch einmal Männergespräche führen zu können. Die zutrauliche Vater-Sohn-Mystifikation, in der Alfons sich gefiel und die er durch einen feinen Abstand der Förmlichkeit davor bewahrte, mißverständlich zu werden, machte Pujol Spaß, aus demselben Grund wie dem Jüngeren: Es fehlte ihr das Element der Verantwortung.
Die unsichtbare Grenze überschritt der junge Neuhoff nur dann – und da er bei seinem Gegenüber keinen Widerstand sich regen spürte, immer öfter -, wenn er sich in finanzieller Verlegenheit befand. Das erste und vielleicht noch das zweite Mal hatte Pujol aus Höflichkeit vorgestreckt, das dritte und vierte Mal, weil die früheren Vorschüsse irgendwann zurückgezahlt worden waren. Das fünfte Mal, weil – nicht obwohl – Alfons säumig geblieben war und der Kaufmann feststellte, daß das Bilanzungleichgewicht ihn in diesem Fall nicht ärgerte, sondern ihn vielmehr mit einer bislang unbekannten Genugtuung erfüllte.
Nicht, daß er sich mit den Fuggern oder Medici hätte vergleichen wollen, aber sich etwas leisten und halten zu können, was nichts einbrachte, war nicht jedermann möglich, und ohne daß Pujol seine Gedanken bis auf den Grund zu analysieren in der Lage gewesen wäre, schien ihm doch, der Zustand habe etwas mit Zeitenwende und Wertewandel zu tun. Manchmal kamen ihm sogar solche Spitzfindigkeiten in den Kopf, wie daß Alfons ihm durch sein taktloses Finanzgebaren womöglich freiwillig eine moralische Kompensation dafür zuschusterte, ihn als feilen Geldmenschen nicht so hoch achten zu können, wie er es vielleicht gewünscht hätte.
Noch immer verharrten Pujols Augen auf dem neben den Papageien knienden und sie neckenden Neuhoff.
Barroon, fragte der rote Ara krächzend, ist es richtig, daß alle Naturerscheinungen sich aus Bewegung und Ausdehnung erklären lassen?
Die Materie ist träge, behaupte ich als Gassendianer, rief der Blaugelbe.
Wovon reden diese Tiere? wurde Alfons gefragt.
Von der Leibniz’schen Monadenlehre, erklärte der Baron. Aber sie verstehen sie nicht richtig.
Monaden sind Seelen! quäkte der Gassendianer.
Darüber wandte die Aufmerksamkeit der Gäste sich einem eintretenden jungen Mädchen zu, das, eine Viola da Gamba im Arm, errötend den Raum durchquerte und das Musikzimmer betrat. Die Gäste, einschließlich Alfons, der sie begleiten sollte, folgten ihr, während Pujol am Tisch sitzen blieb. Er erwartete noch jemanden.
Das schwarzgelockte Mädchen war Amalia, die Tochter des Hauses. Sie trug ein bodenlanges, hochgeschlossenes Kleid und schlug vor den drängelnden, starrenden Freunden des Hauses auf entzückend keusche Weise die langbewimperten Augen nieder. Sie war hochgewachsen und schlank, und das Kleid, das sich nach unten hin weitete und
bauschte, umschloß ihren Körper
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