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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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besäßen, mir mein Zimmer zu zeigen...
    Gewiß, Sir, antwortete Jeremie unwillkürlich. Er erhob sich und geleitete den König bis zu dem rechten Alkoven, in dem er üblicherweise selbst schlief. Ohne dazu aufgefordert zu werden, half er dem hageren Fremden aus seinen Kleidern und stützte ihn, als er sich aufs Bett niederließ.
    Warten Sie, ich hole Ihnen noch eine Decke.
    Ich danke Ihnen, guter Mann. Wie heißen Sie?
    Jeremie.
    Jeremie. Und weiter?
    Jeremie Larkoszi.
    Jeremie Larkoszi, ich werde Ihre Freundlichkeit nicht vergessen. Wenn ich erst wieder in meine Rechte eingesetzt bin, werde ich mich Ihrer zu erinnern wissen.
    Gewiß, gewiß, nun schlafen Sie erst mal.
    Ja, das will ich. Ich bin, ich gestehe es, todmüde und ein erbärmlicher Gast. Ich bitte Sie, bei Madame meine Schwäche zu entschuldigen.
    Die alte Frau Larkoszi blickte vom Tisch herüber und nickte sprachlos.
    Recht gute Nacht, Sir, flüsterte Jeremie und deckte den König zu, der vor Kälte zitterte. Die grauen Augen blickten ihn lächelnd an, dann schlossen sie sich.
    Huldvoll, dachte Theodor. Ich war huldvoll. Aber es hat mich sehr angestrengt. Sehr, sehr angestrengt.
    Er begann ruhig zu atmen und entspannte sich auf seinem Bett, das wie eine riesige Schneeflocke langsam in die Tiefe eines abendlichen Himmels zu sinken schien.
     
    Nachdem er eine Weile geruht hatte, war er wieder ganz wach. Der Schlaf hatte ihm gut getan, und er fühlte sich kräftig genug aufzustehen. Er hörte, wie die Vorhänge sich in der Brise bauschten, die durchs offene Fenster hereinkam, und öffnete die Augen. Die Luft, die seine Brust umschmeichelte, hatte dieselbe Temperatur wie seine Haut und das Leinenlaken, das seinen Körper bedeckte. Er dehnte sich, spürte die Muskeln in seinen Schenkeln, seinen Waden, seinen Schultern, und sprang aus dem Bett.
    Da war sie wieder, die alte Dringlichkeit, hinauszukommen in den Tag und einfach dazusein. Draufloszugehen in
jugendlicher Lust, sich zu bewegen, der Zukunft ein Stück entgegenzugehen, ohne lang zu planen, vorzubereiten, zu warten, voller Gottvertrauen, und das hieß nicht einfach Selbstvertrauen, sondern war die kindliche Gewißheit, daß die Begegnung zwischen ihm und der Welt glückhaft verlaufen werde.
    Er hielt sich nicht damit auf, lange nach passender Kleidung zu suchen, um so weniger, als er nicht wußte, ob er nach einer halben Stunde oder einem halben Jahr zurückkäme. Er schlüpfte einfach in die orientalisch gemusterte rotweiße Pluderhose, schnürte sich das weiße Leinenhemd am Hals zu, warf die leuchtendrote Schaube über, griff sich den hohen Hirtenstab und stürzte zur Tür hinaus, am Ofen des Bäckers vorbei, wo es verführerisch nach frischem Brot roch, und die Straße hinab, deren Fassaden im Nachmittagslicht in Elfenbein- und Pfirsichtönen schimmerten und deren graue Katzenkopfbuckel wie kleine kabbelige Wellen vor ihm ausliefen. Er bog rechts ab und ging auf den Fluß zu. Die Menschen grüßten, zogen die Hüte. In einem Vorgärtchen strahlten duftende Tomaten die Sonnenwärme ab. Eine dicke gelbe Katze räkelte sich auf einer Mauer, deren in Placken abgefallener Putz sie zur Reliefkarte eines fremden Kontinents machte. In Toreinfahrten tanzten Pollen im Lichtnebel vor dem Dunkelgrün sommerlicher Gärten. Im Schatten geöffneter Halbbogenfenster war der träge nachmittägliche Schlaf junger Mädchen wie ein Duft zu ahnen.
    Über dem Fluß spannte der grüne Himmel sich bis zum Horizont. Der Wind frischte in Böen auf, und die Wolken rückten in einem Heerzug mit Artillerie, Feldwagen, Schleudern und Entertürmen heran. Die Gewitterspannung war so stark, daß ein in die Luft gehaltenes Schwefelhölzchen sich von alleine entzündet hätte. Er freute sich auf die Entladung, die erlösenden Donnerschläge, den prasselnden Regen und die dampfende Wärme hinterher, die Düfte der Blüten, Bäume, der Erde, die wie aus zerschlagenen Parfumphiolen
aufsteigen würden. Der Wind riffelte die Wasseroberfläche, das grüne Spiegelbild der Häuserfront am Ufer zersplitterte.
    Dann war er auf dem Weg zum Akazienhain mit den Tempelruinen. Noch jetzt, tausend Jahre nach dem Verfall, wirkte die Leere zwischen den geborstenen Säulen und den grün umrankten, altrosafarbenen Steinquadern mit den weißen Marmorfriesen wie die Hohlform der Schönheit. Sein Schritt, unterstützt vom weitausgreifenden Hirtenstab, war so leicht, als trüge er Flügelschuhe und als bestünde die körperliche Anstrengung nicht darin,

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