Der Koenig von Rom
jemand einen Namen aus: Freddo, der Kalte, glaubte Libanese zu hören; der Junge drehte sich um, nickte dem Schatten einer Frau zu, sah wieder Libanese an, nickte leicht, ging weiter.
Freddo. Nicht schlecht.
VIII.
Libanese zündete sich eine Zigarette an und blies dem Türsteher, der ihn schief angeblickt hatte, eine Rauchwolke ins Gesicht. Instinktive Antipathie, da war nichts zu machen.
Plötzlich hatte er eine Vision. Er sah sich, Bufalo, Dandi, Scrocchia, und sogar den kleinen Krauskopf, den sie Freddo nannten. Er sah schwarze Overalls und Sturmhauben und fünf Skorpion-Maschinenpistolen, die bei Terroristen so beliebt waren. Er sah fünf Typen ohne Respekt und ohne Gnade, die in ein Lokal eindrangen, allen befahlen, sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen, sich alles nahmen und dann ein blutiges Zeichen zurückließen, eines, das man nicht vergaß. Er sah einen Haufen Desperados, die alle Gesetze verletzten, die Gesetze der anständigen Leute und auch die Gesetze der Unterwelt, und die nun ein einziges, gültiges Gesetz aufstellten: Libaneses Gesetz.
Mit bitterer Miene warf er die Zigarette weg.
Mach dich an die Arbeit, Libanese. Du musst dreihundert Millionen auftreiben. Das ist deine Aufgabe, Libano. Keine Tagträume.
Aber offensichtlich war das ein besonderer Abend. Einer von jenen Abenden, an denen dich das Schicksal an der Hand nimmt und dich genau in dem Augenblick, in dem du auch noch die letzte Hoffnung verloren hast, reich beschenkt, dir einen Ausweg zeigt.
Der unsympathische Türsteher ohrfeigte gerade einen Jungen mit ängstlichem Gesichtsausdruck. Ein Mädchen klammerte sich an den Arm des Türstehers. Sie versuchte den Burschen, der vielleicht ihr Freund war, zu beschützen. Der Riese stieß sie weg.
Libanese ging zu ihr hin, half ihr aufzustehen.
Und stand plötzlich einer Frau gegenüber, die eine Mischung aus amerikanischer Schauspielerin und Göttin war.
Locken, die so schwarz waren wie der Himmel bei einem nächtlichen Gewitter und gleichzeitig leuchteten wie Blitze, und strahlende Augen wie bei einem Tier, das du nachts im Scheinwerferlicht siehst, wenn du drei Straßen gezogen und die Kraft eines Superhelden hast.
Libanese dachte, dass er in seinem ganzen Leben noch nie eine so schöne Frau gesehen hatte. Er fühlte, wie sehr er sie begehrte; Dandi hatte recht, wie lange hatte er nicht mehr mit einer Frau geschlafen, und gleichzeitig spürte er eine geheimnisvolle Angst.
So eine? Komm schon, Libano, das ist keine für einen Jungen von der Straße.
Aber dann … dann entlud sich die Wut, die sich bei dieser albernen Party in ihm aufgestaut hatte, der Hass auf Terribile und seine Bande, die Frustration darüber, dass immer alles beim Alten blieb … und sie gerann zu einem Klumpen Gewalt.
Er stürzte sich auf den Türsteher, packte ihn an den Schultern, warf ihn zu Boden, trat und prügelte auf ihn ein.
Die anderen Türsteher kamen angelaufen und begannen ebenfalls zuzuschlagen. Sie versuchten seine Arme festzuhalten, aber Libanese entwand sich ihnen wie eine Schlange. Sie versuchten ihn zu treten, aber Libanese wich den Fußtritten aus, und die wenigen, die ihn trafen, zeigten keine Wirkung. Als würde er von einem Schild geschützt, das von einer wundersamen Hand gehalten wurde.
Er prügelte sich für die dunkelhaarige Göttin, er prügelte sich, weil er König werden wollte.
Er prügelte sich, weil es schön und richtig war, sich zu prügeln.
Bufalo kam angelaufen. Er begriff augenblicklich, was los war, und stürzte sich ins Gemenge.
Libanese war eine Kriegsmaschine. Libanese war der Kriegsgott höchstpersönlich.
Und je mehr er austeilte, desto mehr wuchs in ihm eine wilde Lust.
Dann war das Heulen einer Sirene zu hören.
Jemand hatte die Bullen gerufen.
Die Schlägerei war genauso schnell vorüber wie sie entstanden war.
Libanese und Bufalo begriffen, dass es Zeit war abzuhauen. Sie liefen in zwei verschiedene Richtungen, während die Türsteher ihre Wunden leckten.
Libanese war schon fast auf der Piazza della Repubblica, als die Göttin und der Junge ihn einholten. Sein Gesicht war von den Schlägen gezeichnet.
– Wir wollten dir danken.
– Schon gut, schon gut, flüsterte er.
– Ich bin Giada, sagte sie und streckte ihm die Hand hin.
– Ich bin Libanese, antwortete er und erwiderte den Händedruck.
– Bist du wirklich ein Libanese?
– Ich? Nein, ich bin aus Trastevere.
Eine Zeit lang musterten sie sich. Libanese atmete ihr Parfum
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