Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
Vom Netzwerk:
dieser nachlesen konnte, dass er sich einer Verhaftung äußerst massiv widersetzt habe.
    »Aber das stimmt ...,«
    Mit einer Handbewegung brachte ihn Selmikow zum Schweigen. »Unterschrieben von zwei Beamten des KGB, deutlichere Beweise braucht man nicht vor Gericht. Denken Sie daran: Wir sind das Herz der Sowjetunion.«
    Alexander glaubte das Spiel zu durchschauen. Sie brauchten, egal aus welchem Grund auch immer, einen Erfolg und einen Sündenbock. Geschickt, wie sie die Dinge zurechtbogen, Fakten mit Fiktionen vermischten. So mit den Umständen konfrontiert, dauerte es nicht lange, bis Alexander erkannte, dass er den Kopf nicht mehr aus dieser Schlinge ziehen konnte.
    Selmikow öffnete einen Schrank und stapelte Bücher auf seinem Schreibtisch.
    »Woher haben Sie ...«
    »Aus Ihrem Zimmer selbstverständlich. Alle in deutscher Sprache. Das wird dem Staatsanwalt sehr helfen.«
    »Aber ich habe sie in der DDR gekauft, für mein Bergbaustudium.«
    Der Major lehnte sich mit der Schulter gegen den Safe und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie und ich, wir wissen das. Aber der Richter wird es auf seine Art bewerten, zusammen mit den Tonbändern und dem amerikanischen Geld. Was soll er sonst auch tun? Er hat sich an die Fakten zu halten und an die Vorgaben des Staates, alles Unheil von ihm abzuwenden.«
    Alexander senkte den Kopf und fühlte sich irgendwie schuldig. Seine Finger zitterten. »Weiß meine Mutter ...?«
    Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie der Major nickte. »Es hat sie sehr getroffen. Hätte Sie nie von Ihnen gedacht.«
    »Darf ich sie sehen?«
    Selmikow trat zu Alexander und beugte sich nach vorn. Ganz dicht kam sein Gesicht. Alexander roch süßliches Rasierwasser, und er roch Wodka. »Gautulin, wenn Sie alles zugeben, dann könnte ich das für Sie arrangieren. Ihre Vergangenheit, Mitglied der Komsomolzen und der Lenin-Pioniere, wird den Richter bestimmt beeindrucken.«
    Deutlicher konnte kein Hinweis sein, mit welchen Methoden der Major versuchte, ihm ein Geständnis zu entlocken. Facettenreich und voller Abwechslung war sein Repertoire, um zum Ziel zu gelangen. Freundlich gab er sich, kein Schreien, kein Toben, war somit das genaue Gegenteil der Wachmannschaft. Selmikow benutzte auch keinen Stock, dafür aber subtilere Mittel, um ihn, Alexander, gefühlsmäßig zu bearbeiten. Angeblich zeigte er für bestimmte Dinge Verständnis, dann wieder appellierte er an seine Aufrichtigkeit und redete ihm ins Gewissen, sich wie ein ehrenhafter Sowjet-
    Bürger zu verhalten Natürlich habe er einen Fehler gemacht, aber den könne er bei etwas gutem Willen, den das Gericht zu würdigen wisse, wieder regulieren.
    »Aber ich kann doch nicht etwas gestehen, was nicht ist. Ich würde lügen.«
    Selmikow richtete sich auf. »Sie müssen abwägen, was Ihnen wichtiger erscheint, Gautulin. Wägen Sie ab.«
    Alexander quäke eine Frage seit Tagen. »Wo ist Hellen Birringer?«
    Der Major schwieg.
    Alexander versuchte in dem Gesicht des hageren Mannes zu lesen. Nichts, keine Regung. Mit drängender Stimme, voll von Verzweiflung und Angst: »Bitte, wo ist sie? Hat man sie auch verhaftet?«
    »Noch nicht. Aber wir wissen, sie kommt in zwei Monaten nach Moskau. Wenn Sie sich nicht kooperativ zeigen, Gautulin, dann ...«

    Wieder in der Zelle, wieder allein mit seinen Gedanken und den schrecklichen Visionen. Unruhig warf er sich auf der Pritsche hin und her, ohne Ruhe zu finden. Gepeinigt von schlimmen Ahnungen, sprang er auf und begann zu wandern, wie so oft in den vergangenen Tagen und Nächten. Vier Schritte in die eine Richtung, Kehrtwendung, vier Schritte zurück. Sie werden Hellen etwas antun, redete er sich ein. Sie werden sie auf dem Flughafen verhaften, sobald sie russischen Boden betritt. Und dann lernt sie auch das Gefängnis kennen. Für sie, eine Ausländerin, wird es noch viel schlimmer werden als für mich.
    Sorgen machte er sich auch um seine Mutter. Er, das einzige Kind, und jetzt die schlimme Beschuldigung. Wie wird sie, die vom Leben so hart Geprüfte, damit fertig werden?
    Als er sich später hinlegte und eine neue schreckliche Nacht erwartete, durchsetzt von Alpträumen, schoss er plötzlich hoch. Das Geld in meiner Tasche. Wer kann es mir zugesteckt haben? Wer hätte dazu die Möglichkeit gehabt?
    Stundenlang ging er dieser Frage nach. Hellen, durchzuckte es ihn, um sich sogleich einen Narren zu schelten. Wenn er ihr schon nicht mehr vertrauen durfte, wem dann?
    Die beiden, die mich verhaftet

Weitere Kostenlose Bücher