Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Führervorbehalt.
In Gedanken betrachtete er das matt im Dämmerlicht schimmernde Seitengewehr in seiner Hand.
War es möglich, dass der zerstreute Wissenschaftler einen solchen Plan entwerfen und in die Tat umsetzen konnte? Gommel schüttelte unmerklich den Kopf. Ein abwegiger Gedanke. Andere schon, aber nicht der Museumsleiter. Und Maria? Eine dumme Gans, der es nur wegen ihrer schönen Augen gelungen war, sich vor dem Kriegsdienst zu drücken, und die sogar meinte, es ihm gegenüber am notwendigen Respekt mangeln lassen zu können. Es schmerzte ihn wie ein Stachel im Fleisch, dass die hübsche Frau seine Avancen mit immer neuen fadenscheinigen Ausreden höflich, aber bestimmt zurückgewiesen hatte.
Spätestens wenn er aus Weimar zurückgekehrt war, würde er die Sache mit ihr anders angehen. Wahrscheinlich brauchte er lediglich eine Fluchtgelegenheit in Aussicht zu stellen, um sie gefügig zu machen. Und falls sie auch dann nicht zur Vernunft käme, gab es noch andere Möglichkeiten. Er spürte sein Verlangen nach dem Körper der blonden Frau, die ihn ernst anschaute. Mehr und mehr beschlich ihn dabei das unbestimmte Gefühl, dass es ihr insgeheim zu gefallen schien, ihn so machtlos vor den verschlossenen Holzkisten zu sehen. Mit der Spitze des Seitengewehrs berührte er den Rand einer der Kisten und schabte darüber.
„Von einer solch großen Lieferung des Gauleiters ist mir nichts bekannt.“ Er musterte sie mit einem langen Blick. „Alle wichtigen Museumsstücke sollte Brandner doch schon im Dezember nach Mitteldeutschland transportieren lassen.“ Er sah es nicht, aber er spürte es: Maria zitterte unmerklich. „Warum ist das noch nicht geschehen?“
Ihr Herz schlug jetzt im Akkord. „Der Direktor hatte den Gauleiter schon Ende November um eine Freigabe für den Abtransport der Kisten gebeten“, erwiderte sie. „Aber erst in den letzten Tagen kam die Anweisung, dass die Kisten umgehend auf das Transportschiff H. Wessels gebracht werden sollen.“ Maria schluckte. Sie verhedderte sich zunehmend in ihrem Lügengebilde. Lange würde sie diese Befragung nicht mehr durchstehen.
Mit leicht nach unten gesenktem Kopf blickte Gommel sie aus den Augenwinkeln heraus an, argwöhnisch und aggressiv.
Sie versuchte, dem Blick mit aller Kraft standzuhalten, zuckte aber merklich zusammen, als er völlig unvermittelt mit dem Seitengewehr auf eine der Kisten schlug, ohne den Blick von ihr zu nehmen.
„Ich war noch nicht in Königsberg, als die Kisten verpackt wurden, Herr Obersturmbannführer“, bemühte sie sich, ihn zu beruhigen. „Ich kann Ihnen nur sagen, was mir der Direktor mitgeteilt hat. Bitte, so glauben Sie mir doch.“
Sie wusste sofort, dass sie einen Fehler gemacht hatte. In seinen Augen funkelte der ausgeprägte Instinkt des erfahrenen Vernehmungsoffiziers, der endlich eine Schwäche bei seinem Opfer gewittert hatte.
Furcht schlug wie eine Welle über ihr zusammen und schnürte ihr die Luft ab. Hatte sie zu unterwürfig geantwortet? Seit Monaten hielt sie Gommel hochmütig auf Distanz. Sie wusste, dass ihr abweisendes Auftreten den über alle Maßen eingebildeten SS-Mann zugleich gereizt und gekränkt hatte. Und nun spielte sie ihm hier plötzlich das kleine Mädchen vor.
Verdammt!
Gommel näherte sich ihrem Gesicht bis auf wenige Zentimeter. Sie roch seinen säuerlichen Atem. Die stechenden Augen glänzten vor Argwohn.
„Frau Adler, was auch immer hier vor sich geht, ich werde es herausfinden. Und ich rate Ihnen dringend: Lügen Sie mich nicht an!“
Sie errötete, was er sicher bemerkte, sie wich seinem Blick aber nicht aus.
„Wann soll das Schiff auslaufen?“, fragte er und musterte sie weiter streng.
„Heute Nacht im Gefolge der Emden und der Eisbrecher, Herr Obersturmbannführer.“ Sie hatte, ohne es zu wollen, Haltung angenommen.
„Wer soll die Ladung begleiten? Sie etwa, Frau Adler?“
„Nein, Herr Obersturmbannführer“, log sie abermals. „Der Direktor und ich sollen das Schiff samt Ladung an einen Beauftragten des Gauleiters übergeben.“
„Wer soll das sein?“
„Das weiß ich nicht, Herr Obersturmbannführer.“
Durchdringender hätte Gommels Blick nicht sein können. Er hatte offensichtlich einen Entschluss gefasst.
„Ich werde sofort eine Nachfrage beim Gauleiter veranlassen. Dann werden wir ja sehen, Frau Adler.“ Er reckte den Kopf wie ein römischer Imperator. „Aber vorher zeigen Sie mir noch die Frachtpapiere nebst Verladungsbefehl. Folgen Sie mir,
Weitere Kostenlose Bücher