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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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darauf, um dann erneut Teig darüberzugießen. Die ineinanderfließenden Schichten faltete er zu einem Dreieck, das fest und braun wurde. Zum Schluss legte er das Gebäck auf Silberpapier und reichte es einer wartenden Frau.
    Der stechend süße Duft der Feueräpfel war zu verlockend, und so reihte sich Vela hinter einer Handvoll Wartender ein und schwelgte im Geruch des warmen Teigs. Als sie endlich an der Reihe war, konnte sie es kaum erwarten, hineinzubeißen. Die Hälfte verschlang sie, noch bevor sie den nächsten Stand erreicht

hatte. Es musste am Wetter liegen, sagte sie sich, zu Hause war sie nie so hungrig. Dort war es kühler und die Auswahl der Früchte begrenzt. Das Einzige, was es dort im Überfluss gab, war Wind.

    Wie sich das Wetter im Dorf ihrer Mutter und in der Stadt ihres Vaters unterschied, so unterschied sich auch das Leben darin. Es kam Vela vor, als laufe sie hier schneller, weil sie sich daheim ständig gegen den Wind stemmen musste. Aber eigentlich liefen alle Menschen in der Stadt schneller.
    Auf dem großen Marktplatz angekommen, ging Vela auf den massiven Steinbrunnen in der Mitte zu, umrundete ihn und setzte ihren Rucksack auf der anderen Seite ab. Sie schwang sich auf den Brunnenrand, ließ die Beine baumeln und sah zur Allee hinüber, die vom Marktplatz wegführte. Sie war mit Roststein gepflastert und von weiß blühenden Mammutzitronenbäumen gesäumt, die ihren Duft auf jeden ergossen, der zwischen ihnen entlangging. Am Ende der Allee erhob sich das Königsschloss auf einem Hügel, mit roten, silberverzierten Wänden, gelben Dächern und einem breiten Band aus quadratischen Fenstern in den Mauern, die alle von grünem Stoff verdeckt wurden.
    Der König war natürlich unermesslich reich. Bereits der schwere, weiche Stoff eines Vorhangs kostete mehr, als ein einfacher Knecht im Jahr verdiente. Vela hätte gern grüne Vorhänge vor ihrem Fenster zu Hause gehabt, aber das war unmöglich, denn der Wind hätte sie abgerissen. Deshalb hatte sie, wie alle im Dorf, Bretter davorgenagelt.
    Sie atmete tief durch und blieb einfach sitzen. Sie wollte noch nicht zu ihrem Vater gehen, auch wenn sie sich darauf freute, ihn zu sehen. Jedes Mal begrüßte er sie mit demselben Satz: »Himmel, wie groß du geworden bist!«, und Vela hasste diese Worte.

    Als sie noch ganz klein gewesen war, hatte er das Dorf verlassen, um der Gehilfe und Nachfolger des Königsmechanikers zu werden. Seitdem sah sie ihn immer nur diese zwei Wochen im Jahr, wenn der König feierlich aufgezogen wurde. Und von Mal zu Mal brachte sie es weniger über sich, ihn zu fragen, ob sie bei ihm in die Lehre gehen dürfe. Auch jetzt saß sie wieder hier und fand keine Worte und keinen Mut. Wie alle anderen rechnete auch er fest damit, dass sie in die Fußstapfen ihrer Mutter, Großmutter und Urgroßmutter treten und den Himmel, das Meer und die wilde Froststeppe am nördlichen Ende des Reiches beobachten würde.
    Ihre Mutter achtete auf die Wolken, um in ihrer Formation kommende Stürme zu lesen. Sie wartete auf die brennenden Flugwürmer, die seit über zweihundert Jahren nicht mehr gesehen worden waren, auf Piraten, auf die giftzahnigen Barbakatzen, die mit dem ersten Schnee auf der Suche nach Futter kamen, und sie wartete auf die Räuberbande des listigen Lyssu, der am liebsten die schwere Steuerkasse stahl, wenn die königlichen Geldsammler im Dorf waren. Ihre Mutter konnte das Wetter lesen wie keine Zweite. Sie kannte jedes Tier des Nordens, jede mögliche Bedrohung und wusste jede Bewegung am Horizont zu deuten.
    Vela bewunderte sie dafür, aber sie konnte sich das nicht vorstellen. Jeden Tag auf den alten Turm klettern, mehr als dreihundert ausgetretene Stufen empor, und aus den weit blickenden Fenstern starren, stundenlang, tagelang, ohne dass etwas passierte. Sie selbst würde das Warten und die unsägliche Langeweile auf dem Turm nicht ertragen.
    Sie wollte etwas mit ihren Händen tun, wirklich arbeiten, nicht immer nur warten.

    Ihre Mutter behauptete immer, Vela habe Wind anstelle von Blut in sich, und dass man dem nicht entkommen könne, doch Vela kam es vor, als habe sie eher Feuer im Blut - wie Großvater Rendo und ihr Vater. In der Schmiede hatte sie sich stets wohler gefühlt als auf dem Turm. Der starre Gesichtsausdruck und entrückte Blick ihrer Mutter, der die äußere Welt nach Feinden absuchte, erschreckte sie - anders als der Anblick ihres rüstigen Großvaters, der den Hammer schwang und aus Metall Waffen,

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