Der Königsschlüssel - Roman
dem blonden Holzhändler, in dessen Ohren wieder einmal Sägespäne steckten. Sie sprachen über das heiße Wetter und natürlich über das bevorstehende Fest.
»Wird auch Zeit, dass die den alten Knaben mal wieder aufziehen«, stänkerte der Händler. »Ich warte schon seit sechs Wochen auf die Entscheidung. Wie soll man da vernünftig sein Geschäft führen, he?«
Der Wirt nickte. »Du hättest den Kerl einfach abfackeln sollen. Hätte doch sowieso keinen interessiert.«
Der Händler gluckste und sah in sein Bier, während er sich mit den Ellbogen auf der Theke abstützte.
Cephei schüttelte den Kopf. Das war Dorados Antwort auf alles: Wenn ein Problem auftauchte, schlug man einfach so lange darauf ein, bis es verschwand. Cephei wusste nicht genau, worum es in dem Gespräch ging; anscheinend hatte sich ein zweiter Holzhändler an der Kreuzung niedergelassen, der jetzt das Geschäft verdarb. Der König sollte entscheiden, ob das rechtens war.
»Ich bin froh, wenn das Fest vorbei ist«, beschwerte sich der Händler weiter. »Dann geht wieder alles seinen Gang. Die Tage,
ja Wochen davor macht der König doch nichts mehr, und während der Feierlichkeiten sowieso nicht.«
»Kann mich nicht übers Geschäft beschweren.« Dorado wischte über die Theke. »Nach dem Turnier wollen die Leute trinken. Und dieses Jahr kommen sogar die Ritter und werden ordentlich feiern. Hab einen guten Handel mit einem Mann gemacht, der die Ritter nach dem Turnier direkt hierherführen wird. Das lässt es klingeln.«
Der andere winkte ab, aber Cephei bekam eine Gänsehaut vor Aufregung. Ritter hier in der Gaststube! Dann hätte er Gelegenheit, sie aus der Nähe zu beobachten und abenteuerliche Geschichten aufzuschnappen, die sie einander erzählen würden.
O ja, er liebte diese Tage, ganz sicher.
Lächelnd brachte er dem Rotäugigen das Bier und fegte die letzten Scherben zusammen. Dann stieg er die ausgetretenen Stufen hinauf und lief in seine Kammer. Hungrig schlang er das trockene Stück Brot und den Käse herunter, die Dorado ihm am Vorabend gegeben hatte. Endlich.
»Mann, Mann, wenn das noch lange so weitergeht, bin ich krumm, bevor ich groß bin«, sagte sich Cephei, während er beobachtete, wie ein langbeiniger Weberknecht an der Wand emporkroch.
Mit verschränkten Beinen saß Cephei auf dem Bett. Seine Schultern krümmten sich von selbst nach vorn, er zog den Kopf ein, wie immer in der Kammer. Sie war winzig, und manchmal hatte er den Eindruck, dass sie noch weiter schrumpfte, während er sich darin aufhielt.
Als er sich anfangs den Raum noch mit Equu geteilt hatte, war es besonders schlimm gewesen. Außer zum Schlafen hatten sie sich nie gemeinsam in der Kammer aufhalten können, weil sie
sich sonst ständig auf den Füßen herumgetrampelt wären. Doch dann war Equu Knappe bei Ritter Leppo geworden und hatte der Kammer ein für alle Mal den Rücken gekehrt.
Cephei musste den Arm nicht einmal ganz ausstrecken, um den Weberknecht mit Daumen und Zeigefinger an einem der langen Beine von der Wand zu klauben. Langsam schwenkte er den Arm zum geöffneten Fenster und legte das Tier auf das äußere Fensterbrett. Der Weberknecht war so überrascht, dass er sich nicht bewegte, sondern einfach in der Sonne liegen blieb. Cephei stützte sich mit dem Ellbogen daneben ab, um ihn weiter zu beobachten.
»Und jetzt? Willst du hier weiter rumgammeln?«, fragte er. »So wird das aber nichts mit dir. Man muss immer in Bewegung bleiben, klar?«
Das hatte ihm Equu gesagt, wenn sie wieder einmal vor einem von Dorados Wutausbrüchen davongerannt waren. Equu war bereits fünfzehn und tat so, als unterscheide er sich deshalb gewaltig von Cephei.
»Wegen zwei lächerlicher Jahre, stell dir vor«, sagte er zu dem reglosen Weberknecht. »Genau genommen: einem Jahr und elfeinhalb Monaten.«
Equu war einer der zwei Freunde, die Cephei in der Stadt hatte. An manchen Tagen hatte Equu sein Essen mit ihm geteilt, wenn Dorado wieder einmal der Meinung gewesen war, Cephei sei zu frech, zu faul oder zu irgendwas gewesen, um sich ein Abendbrot verdient zu haben.
Aber jetzt war Equu fort. Er diente in der Nähe des Schlosses als Knappe und bekam regelmäßig zu essen. Davon träumte Cephei. Noch ein Jahr musste er durchhalten, dann wäre er alt genug und würde sein Glück bei einem der Ritter versuchen.
Wenn er erst mal aus diesem Loch hier raus war, würde sich einiges ändern. Und zwar zum Besseren, so viel stand fest.
»Was meinst du?«, fragte er
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