Der Koffer
annehmbare Erektion hinlegte. Am nächsten Morgen hatte er behauptet, sie anzubeten. Sonnie hatte gedacht: Anbetung ist etwas, das Frauen Mitte dreißig gut tut. Sie hatte Chola angerufen. Chola hatte die Verbindung mit den Worten begrüßt: »Zwischendurch immer mal einer zum Ausruhen.«
Sonnie zog bei Jake ein.
Sie wurde Programmchefin seines Kinos.
Es gab kein Limit. Sie wünschte sich dies, sie forderte das. Sie hatte auf ihn gezielt. Und Jake, anstatt Haken zu schlagen, hatte die Hände gehoben und war ihr vor die Büchse gelaufen. Sie äußerte Unzufriedenheit über seine Liebhaberqualitäten, über seine Ehemannqualitäten,über seinen Kinderwunsch. Was immer er sagte, über Liebe, Vertrauen, Zärtlichkeit, Ewigkeit, es verschaffte ihr nicht einmal den Anflug von Genuss. Sie war eine Jägerin! Wie konnte er es wagen? Niemand kann eine Jägerin jagen. Später hatte sie genau diese Dinge von Rhett ersehnt, hatte Nächte durchgeweint und durchwacht und sich gesehnt. Sie hatte Rhett jagen müssen. Sie hatte ihn gejagt und gejagt und gejagt. War der Richtige immer der Neue? War der Richtige immer der, von dem man nicht genug bekam?
Schon als Sonnie den Fuß in die »Bible Lounge« setzte, hatte sie unter der Discokugel auf der Tanzfläche eine dunkelhäutige Frau wild tanzen sehen. Groß, schmalgliedrig, hautenger Catsuit.
Young. Pretty. Big tits. Your basic nightmare.
Eine hungrige Anakonda. Das Aufreizende ihres Tanzes bestand im Minimalismus. Gezügelte Zügellosigkeit. Und sie wusste es. Rund um sie hatte sich eine Art Spalier aufgetan. Es lag ein Raunen in der Luft, eine weitgehend männliche Andacht, ein Atemanhalten, eine kollektive Erektion.
Jake, blind für die Anakonda, unterbreitete Sonnie seinen Eherettungsplan. Er wolle einen Dreier versuchen. Er habe bereits eine Dame im Auge. Er habe die Zustimmung der Dame bereits eingeholt. Er habe die Dame bereits ausprobiert. Mit zwei Sätzen hatte Jake ihre Ehe beendet, anstatt sie zu retten: »Ich habe die Dame bereits ausprobiert. Mit ihr bin ich nicht impotent.«
Sonnie sitzt auf dem Klo und starrt auf ihren Daumen. Vom Regen in die Traufe. Sie ist vom Regen in dieTraufe gekommen. Von einem Mann, der nie konnte, zu einem Mann, der immer kann.
Aber Rhett hat Joy mit ihr betrogen. Er hat Joy für sie verlassen. Es hilft nichts. Die Eifersucht schnürt ihr die Kehle ab. Die Eifersucht, die sie noch töten wird. Rhett hat keine Ahnung davon. Eifersucht und Verlustangst hat sie von Anfang an vor ihm verborgen. Sie verachtet sich für das, was sie »weibliche Mechanismen der Liebe« nennt, für das Warten auf Anrufe, Gefallsucht als fixe Idee, die den eigenen Charakter stranguliert, für die Darstellung von Geilheit, die immer der echten vorauseilt. Diensteifrig. Schneller. Lauter.
Im selben Tempo, in dem eine Frau ihr Herz verliert, verliert sie ihr Hirn. Das weiß Sonnie. Jede Frau weiß das. Niemand kann das ändern. Sie kann es nicht ändern, und die Gewissheit quält sie. Es ist banal. Doch diesmal verbirgt sie das, was sie als typisches weibliches Verhalten verbucht und verachtet. Allein das Verbergen kostet unendlich viel Kraft. Es macht sie indifferent. Es macht sie unscharf. Solange sie Rhetts Geliebte war, hatte sie Zeit, sich gehen zu lassen. Immer, wenn er weg war, ließ sie sich gehen. Tränen in seiner Gegenwart – undenkbar.
Sonnie zieht einen von Rhetts Gummifingerlingen über den verpflasterten Daumen. Rhett besitzt mehrere Kartons davon. Er benutzt Fingerlinge, wenn er sich Zäpfchen einführt, aus hygienischen Gründen, wie er sagt. Aus Ekel vorm eigenen Anus, wie Sonnie vermutet. Rhett fürchtet Bakterien. Er teilt keinen Bissen mit Sonnie. Er trinkt nie aus Sonnies Flasche. Nur beim Sex, da kommt ihm jede Schweinerei recht.
»Nimmst du die Dinger auch zum Popeln?«, hatte Sonnie Rhett kurz nach dem Einzug gefragt und ihm lachend einen der Fingerlinge hingehalten. »Ich pople nicht«, hatte er geantwortet. Und auch gelacht. Und dann hatten sie gebalgt. Und dann hatte sie im Spaß versucht, den Fingerling auf Rhetts Penis zu ziehen, der immer stand, immer stand wie ein großer erhobener Hartgummifinger, viel zu groß für einen Fingerling, viel zu groß für sie, viel zu hart für sie. Egal. Sie wollte ihn. Sie wollte, dass er sie wollte.
Sonnie greift nach dem Hörer. Rhett hat kein Funktelefon. Er lehnt Funktelefone ab. Er nennt sie Hundeleinen. Sie wählt die Nummer von Rhetts Atelier, die sie auswendig kann. Es geht niemand ran.
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