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Der Koffer

Der Koffer

Titel: Der Koffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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scharf« trägt. Das Messer steckt noch in der Plastikhülle. Sonnie reißt sie auf, ungeduldig, so ungeduldig, dass sie sich bis zum Knochen in den Daumen schneidet.
    Sonnie wird schwarz vor Augen. Die Sensation drohender Ohnmacht wird begleitet von plötzlicher Schwäche, von einem Schwapp Kohlendioxid, das in alle Blutgefäße kriecht. Sonnies Blut flimmert und prickelt. Macht Tropfmuster aufs Parkett, blutrot, kofferrot. Sie widersteht dem Impuls, sich fallen zu lassen. Sie knietauf dem Parkett und atmet tief. Ihr Blick fällt auf eine Schüssel, die auf dem Parkett steht. Eine Schüssel mit flaumigen weißrosa Pfirsichen.
    Sie findet zu ihrer Stärke zurück. Sie robbt ins Bad. Das Bad ist ein fensterloser Verschlag mit Dusche, Waschbecken und Klo. Zahnpastakleckse auf dem Boden. Das Waschbecken ist winzig. Unmöglich, beim Ausspucken zu treffen. Sonnie sucht nach Pflastern. Ihr ist übel. Sie steht auf. Sie macht kleine Schritte. Sie stützt sich aufs Waschbecken. Es wackelt. Sie setzt sich aufs Klo. Sie macht Rhett verantwortlich, der nun ziellos durch die Straßen streift, einer Kakerlake wegen, und der sicher im selben Moment Sonnie dafür verantwortlich macht. Sie erschrickt. Er wird doch nicht?
    It’s a crazy world. Anything can happen, Ilsa.
    Diese Nörgelei im Gewand der Sorge! Er wird doch nicht zu Joy zurückgehen? Sich bei ihr ausweinen? Auf bei Sotheby’s ersteigerten Möbeln? In ihrem protzigen Central-Park-West-Apartment, aus dem er Sonnies wegen ausgezogen ist? Wird er sich fragen, wie er das alles hatte aufgeben können für eine nicht mehr junge Amazone, eine Amazone mit fettem Arsch, die viel zu selten nackt ist, die ihn nach Chinatown verschleppt, Kakerlaken in sein Auto schleust und ihn hinauswirft, ihres Hangs zum Unrat wegen?
    I’m into garbage. It’s my thing.
    Sie hatte Joy nur einmal gesehen. Sonnie war mit Jake in der »Bible Lounge« im Village gewesen. Ihre Ehe lag im Koma. Vielleicht war es ihr nicht klar. Heute kann sie das deutlich sehen. Ihr Blick ist nicht mehr durch Gefühle verstellt. Sie weiß, dass sie glaubte, Jakezu lieben, aber sie kann sich nicht erinnern an das Gefühl selbst. Vielleicht war es ein eingebildetes Gefühl gewesen, wie hysterische Blindheit, und sie hat ihn nie geliebt. Vielleicht hat sie niemals geliebt. Vielleicht ist sie ein Liebeshypochonder. Lässt sich Wahrheit nur im Nachhinein herstellen, denkt Sonnie, weil sie im Jetzt immer zu nah ist? Weil alles, was zu nah ist, verschwimmt?
    Der Barbesuch sollte belegen, dass alles in Ordnung sei, aber es war damals nichts mehr in Ordnung gewesen. Er hatte die Idee der offenen Ehe nicht mit in die Beziehung gebracht. Er hatte sie unter dem, was er Sonnies kastrativen Einfluss nannte, entwickelt. Sie war ihm, er formulierte die Beleidigung als Kompliment, »too much Frau«, um ihn geil zu machen. Sie war schuld an seiner Impotenz. Die Impotenz wurde dadurch kaschiert, dass Sonnie den halb erigierten Penis in sich hineinstopfte. Ein routinierter Handgriff. Sonnie erinnert sich gut.
    Machen Sie mal eine typische Handbewegung.
    Lembke. Robert Lembke.
    Machen Sie mal eine typische Handbewegung. Das Rausflutschen und Wieder-Hineinstopfen von Jakes weichem, dünnem, halb erigiertem Penis. Das macht mich impotent, dass du nie kommst, sagte er.
    Sonnie schämt sich, während sie sich erinnert. An ihr zu lautes Lachen, das diesen Handgriff begleitet. Ihr Unbehagen. Ihr Schuldgefühl. Sie waren auseinander gedriftet, langsam, aber stetig. Sie wollten wieder aufeinander zuschwimmen an jenem Abend in der »Bible Lounge«. Neu anfangen. Wollten sie wirklich?
    Sonnie hatte zwei Monate zuvor Rhett auf einem Thanksgiving-Dinner bei Matthew Barney kennen gelernt. Sie hatte seitdem oft an Rhett gedacht, dass sie sich sicher viel zu sagen hätten. Sie hätten sich viel zu geben. Sie hatte ein Gefühl entwickelt, sich das Gefühl verboten, es schließlich doch zugelassen. Es war ein Gefühl der Neugier. Die Neugier breitete sich aus wie eine Gürtelrose. Und juckte.
    Und da saß sie. In der »Bible Lounge«. In ihrem braunen engen Kleid aus Cholas Boutique. Mit dem falschen Mann, mit dem falschen Plan. Nun sollte, mit aller der Idee innewohnenden Gewalt, ihre Ehe gerettet werden.
    Mit dem zeitlichen Abstand kommt es Sonnie so vor, als hätte Jake sie zu allem überredet. Zu der Beziehung. Zu der Ehe. Zu der Liebe. Zum Sex. Sie hatte eine Nacht mit ihm verbracht, in der er – immerhin war er verunfallt und beinvergipst – eine

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