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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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und Mary Landon geschickt«, antwortete Chee.
    »Deiner weißen Lehrerin«, sagte Janet.
    »Einer weißen Lehrerin, aber nicht meiner«, stellte Chee fest. »Sie ist nach Wisconsin zurückgegangen. Sie wollte weiterstudieren.«
    »Nicht mehr deine?«
    »Eigentlich nie meine gewesen, vermute ich.«
    Sie blieben im Auto sitzen, während sie darüber nachdachten, und hörten zu, wie der Motor lief.
    Janet warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Und? Ist bei dir wieder alles in Ordnung?«
    »Mehr oder weniger«, sagte Chee. »So ziemlich.« Sie dachten auch darüber nach.
    »Und wie steht's mir dir?« fragte Chee. »Was ist mit deinem ehrgeizigen Rechtsanwalt? Seinen Namen hab' ich vergessen. Und was ist aus deinem eigenen Ehrgeiz geworden?«
    »Er ist in Washington geblieben und wahrscheinlich dabei, reich zu werden. Und ich bemühe mich, hier einen mittellosen Säufer zu verteidigen, der nicht mal mir sagen will, daß er's nicht gewesen ist.«
    Chee, der sehr sorgfältig zugehört hatte, hörte keinen Unterton aus ihrer Stimme heraus. Nur diese nüchterne Feststellung.
    »Bei dir ist also auch wieder alles in Ordnung. Soll ich deine Antwort so verstehen?«
    »Keine Briefe, keine Telefongespräche«, antwortete Janet ausdruckslos. »An sich geht's mir wieder ganz gut. Aber nach so etwas kommt man sich dämlich vor. Ausgenutzt. Und ziemlich verwirrt.«
    »Ich mache uns einen Kaffee«, erbot Chee sich.
    Keine Antwort. Janet Pete starrte schweigend aus dem Fenster, als sehe sie irgend etwas im Dunkeln unter den Pappeln. »Vielleicht hat dich jemand vor meinem Kaffee gewarnt«, fuhr Chee fort, »aber ich koche ihn nicht mehr. Ich benutze jetzt kleine Filter, die direkt auf die Tassen gestellt werden. Seitdem schmeckt er viel besser.«
    Janet Pete lachte und stellte den Motor ab.
    Tatsächlich war sein Kaffee ausgezeichnet. Frisch, heiß und stark. Sie war müde und schlürfte ihn dankbar, während sie Jim Chees beengtes Zuhause betrachtete. Sehr ordentlich, stellte sie fest. Das war eine Überraschung. Alles hatte seinen festen Platz.
    Janet sah zu seinem Bett hinüber: ein schmales Klappbett mit dünner Wolldecke. Geradezu asketisch. Und über dem Bett ein Regal, aus dem Bücher quollen. Sie erkannte Joseph Campbells The Power of Myth, Buchanans A Shining Season, Momadays The Way to Rainy Mountain und Zolbrods Dine
    Bahane, das sie für die beste Übersetzung der Entstehungsgeschichte der Navajos hielt. Eigentlich merkwürdig, daß Chee die >Navajobibel< in der Version eines Weißen las.
    »Hast du noch immer vor, Medizinmann zu werden?« fragte sie.
    »Irgendwann«, antwortete Chee. »Falls ich lange genug lebe.«
    Janet stellte ihre Tasse ab. »Ich habe einen langen Tag hinter mir«, sagte sie. »Aber ich glaube nicht, daß ich viel Nützliches erfahren habe. Ich weiß nicht mal eine Antwort auf die meisten Ashie Pinto betreffenden Fragen. Beispielsweise, wie er dort hingekommen ist. Oder was er dort zu suchen hatte. Oder wer Officer Nez erschossen hat.«
    »Das ist die einzige, die ich beantworten kann«, stellte Chee fest. »Dein Mandant hat ihn erschossen. Ich weiß nicht, weshalb. Er weiß es auch nicht genau. Aber Whiskey hat dabei eine Rolle gespielt. Wasser der Dunkelheit. So heißt das Navajowort für Whiskey ins Englische übersetzt.«
    Janet äußerte sich nicht dazu. »Wie steht's mit dir?« erkundigte sie sich. »Glaubst du, daß wir irgendwelche Rätsel gelöst haben?«
    Chee lehnte am Herd und hielt seinen Becher unbeholfen in der linken Hand. Er trank einen Schluck. »Wir haben ein weiteres hinzugefügt, glaube ich. Weshalb hat Mr. Ji gelogen?«
    »In welcher Beziehung?«
    »Er hat behauptet, er sei auf der Heimfahrt niemandem begegnet. Aber er muß mich gesehen haben. Ich bin ihm entgegengekommen, als er von der Route 33 auf die Schotterstraße abgebogen ist.«
    »Vielleicht hat er's vergessen«, meinte Janet. »Das liegt schließlich schon Wochen zurück.«
    »Ich hatte meine Sirene und das Blaulicht eingeschaltet.« Janet dachte darüber nach. »Oh«, sagte sie dann. »Daran müßte er sich eigentlich erinnern.«
    »Unmittelbar zuvor muß er an einem brennenden Auto vorbeigekommen sein. Ganz in der Nähe der Straße steht ein Fahrzeug in Flammen. Dann kommt ein Streifenwagen mit heulender Sirene herangerast. Wir sind hier schließlich nicht in Chicago. Hier draußen passiert nicht viel. Daran hätte er sich erinnern müssen.«
    Janet runzelte die Stirn. » Was bedeutet das also - daß er vorgegeben hat,

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