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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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haben auch Delbert schon Rätsel aufgegeben«, antwortete Chee. Er mußte unwillkürlich lächeln. »Das ist das Werk unseres geheimnisvollen Felsenmalers. Vor etwa sechs Wochen ist Delbert aufgefallen, daß jemand diese Felsen angemalt hat. Er wollte den Kerl auf frischer Tat schnappen.«
    »Das hat ihn gestört? Ich glaube nicht, daß so etwas strafbar ist. Zumindest nicht ausdrücklich«, meinte Janet. »Aber eigentlich stört es mich auch. Wozu etwas Natürliches entstellen? «
    »Soviel ich weiß, haben diese Schmierereien ihn nicht nur gestört, sondern auch etwas beunruhigt. Wer würde schon dort raufklettern und soviel Zeit und Farbe vergeuden, um schwarzen Basalt weiß anzumalen? Delbert hat jedenfalls häufig davon gesprochen. Und an diesem Abend kam es mir so vor, als habe er den Felsenmaler gesehen. Und er hat darüber gelacht.«
    »Vielleicht hat er ihn tatsächlich gesehen«, sagte Janet. Sie starrte die Felsformation an. »Wodurch sind sie alle entstanden? Ich weiß, daß sie vulkanisch sein müssen, aber sie sehen nicht wie die normalen aus. Geologie gehört leider nicht zu den Fachgebieten, in denen Jurastudenten unterrichtet werden.«
    »Zukünftige Anthropologen auch nicht«, meinte Chee bedauernd. »Aber soviel ich gehört habe, hat die Vulkantätigkeit, durch die der Ship Rock entstanden ist, Zehntausende von Jahren angedauert. Durch den Ruck von unten sind immer wieder neue Risse entstanden, aus denen flüssiges Gestein in die Höhe gequollen und erstarrt ist. So sind neue Formationen entstanden - manchmal gleich neben älteren.«
    »Oh«, sagte Janet.
    »Diese hier erstrecken sich kilometerweit«, erklärte Chee ihr. »Gewissermaßen parallel zu den Chuska Mountains.«
    »Haben sie auch einen Namen?«
    Chee nannte ihn ihr.
    Janet verzog das Gesicht. »Meine Eltern wollten, daß ich einwandfreies Englisch lerne. Sie haben in meiner Gegenwart nicht viel Navajo gesprochen.«
    »Er bedeutet >Lange schwarze Grate< oder so ähnlich.« Chee sah zu Janet hinüber, weil er nicht wußte, wie sie zum Zauberglauben der Navajos stand. »Viele traditionell eingestellte Navajos würden sich nicht dorthin wagen - vor allem nicht nachts. Einer Sage nach, die zumindest im Osten des Reservats verbreitet ist, sind diese erstarrten Lavaströme das getrocknete Blut der von den Heldenzwillingen getöteten Ungeheuer. Ich glaube, daß das einer der Punkte ist, die Delbert neugierig gemacht haben. Ihn interessierte wohl vor allem, wer dieses Tabu gebrochen hat.«
    »Vielleicht hat er den Schmierer auf frischer Tat ertappt und ist von ihm erschossen worden«, meinte Janet.
    »Und der Täter hat den Revolver danach Hosteen Pinto zugesteckt?« fragte Chee. »Diese Theorie dürfte schwer zu verkaufen sein.«
    Janet zuckte mit den Schultern. »Sie ist so gut wie jede andere, die mir sonst einfällt«, meinte sie. »Komm, wir sehen uns die Schmierereien mal an.« Dann warf sie Chee einen zweifelnden Blick zu. »Oder gibt's dort um diese Jahreszeit Schlangen?«
    »Ein paar Schlangen gibt es überall«, antwortete er. »Aber sie sind kein Problem, wenn man nicht unvernünftig ist.«
    »Allein der Gedanke an Schlangen ist ein Problem«, sagte Janet. Aber sie bog mit dem Toyota von der Asphaltstraße ab. Um zu den Felsen zu kommen, an denen der Maler gearbeitet hatte, mußte sie ihren kleinen Toyota ungefähr eine Meile weit über unwegsames Gelände mit Felsbrocken, Kakteen, Silberdisteln, Büffelgras, Salbeibüschen und Schlangenkraut lenken. Nachdem das rechte Vorderrad mit dumpfem Schlag in ein überwachsenes Loch gefahren war, hielt sie und stellte den Motor ab.
    »Wahrscheinlich ist es besser, zu Fuß zu gehen«, sagte Janet. »Vor allem besser für mein armes Auto.«
    Ihr Fußmarsch dauerte länger als erwartet. Wie alle durch die dünne, trockene Wüstenluft gesehenen Gegenstände war der Basaltkegel größer und weiter entfernt, als sie vermutet hatten. Die Sonne stand schon weit hinter dem Horizont, als die beiden den letzten Steilhang überwanden und den Fuß der Felsformation erreichten. Über ihnen hatten sich die hohen Wolken von Rosa zu Dunkelrot verfärbt. Weit im Westen waren bläulichschwarze Wolken mit flammendgelben Rändern über dem Kaibito Plateau in Arizona zu sehen.
    Janet blieb stehen und sah sich um.
    »Unsere Sonnenuntergänge haben dir in Washington gefehlt, was?« fragte Chee.
    »Mich interessiert dieser Wagen«, antwortete sie und deutete auf ein Fahrzeug, das er noch gar nicht gesehen

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