Der Kojote wartet
dort gewesen zu sein, obwohl er gar nicht dort war? Oder daß er vorgegeben hat, deinen Streifenwagen nicht gesehen zu haben? Aber das wäre unvernünftig! Vielleicht hat jemand anderer seinen Wagen gefahren, und er hat ihn zu decken versucht? Oder... was?« Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn, griff wieder nach ihrer Tasse und trank aus. »Ich bin wirklich zu verdammt müde, um noch darüber nachzudenken«, stellte sie fest. »Und ich muß jetzt fahren. Ich muß heute abend unbedingt nach Window Rock zurück.«
»Das ist zu weit«, protestierte Chee. »Zwei anstrengende Stunden. Warum bleibst du nicht einfach hier?« Er machte eine Pause. »Ich rolle meinen Schlafsack auf dem Fußboden aus«, schlug er dann vor.
Sie sahen sich an, bis Janet seufzte.
»Danke«, sagte sie, »aber Emily erwartet mich.«
Emily. Chee erinnerte sich vage an diesen Namen. Irgendeine Kollegin, mit der Janet früher in Window Rock zusammengewohnt hatte.
Chee stand noch an der Tür und beobachtete, wie der Toyota zur Straße hinauffuhr. Danach setzte er sich auf das Klappbett, um seine Schuhe auszuziehen. Er war müde, aber der Kaffee würde ihn noch eine Weile wach halten. Er knöpfte gähnend sein Hemd auf und streifte es über den Verband. Heute sind drei neue Fragen dazugekommen, dachte er. Nicht nur, weshalb Mr. Ji gelogen hatte. Auch die methodische Verrücktheit des Felsenmalers stellte ihn vor neue Fragen. Und vor allem mußte er über Janet Pete nachdenken.
7
Über Kopfhörer hörte Jim Chee den seltsamen Singsang von Ashie Pintos Stimme. Ihre Tonhöhe veränderte sich rhythmisch, während der Alte von der längst vergangenen Zeit erzählte, als Wechselnde Frau ihre zweite Monatsblutung hatte.
»Bis dahin soll viel Zeit vergangen sein, aber ich weiß nicht, wie viele Tage es nach unserer heutigen Rechnung waren. Die alten Männer haben diese Geschichte stets sehr sorgfältig erzählt. Sie haben sie sehr sorgfältig erzählt, um keine Fehler zu machen, aber wenn sie die Zahl der Tage genannt haben, kann ich mich nicht mehr daran erinnern.
Sie haben erzählt, wie Changing Woman von First Man unterwiesen und von First Woman behütet worden ist, und ich glaube, daß die beiden Changing Woman angewiesen haben müssen, ihnen den Beginn ihrer zweiten Monatsblutung mitzuteilen. Und als sie einsetzte, ist Talking God zu einem Ort bei Huerfano Mesa gekommen, an dem sich das Heilige Volk aufhielt. Er hat den Hogan besucht, den First Man östlich der Mesa gebaut hatte. Wie es heißt, wurde er von Calling God begleitet, aber Talking God war der Wortführer.«
Pintos Stimme verfiel in krächzenden Gesang. Chee erkannte eines der Lieder, mit denen Talking God im Lied, das den Segen bringt, beschworen wurde. Er beherrschte diese Zeremonie selbst und hatte sie zweimal angewandt, als sein Ehrgeiz, eines Tages selbst Medizinmann zu werden, noch frisch und unverbraucht gewesen war.
»'e ne ya! Nun bin ich das Kind von Changing Woman. Meine Mokassins sind aus weißen Muscheln... «
Der Kopfhörer des Kassettenrecorders tat Chee am Ohrläppchen weh. Er hörte sich die Aufzeichnung noch einige Minuten an und stellte fest, daß Pintos Version sich in Kleinigkeiten von den Gesängen unterschied, die er von Frank Sam Nakai gelernt hatte. Hosteen Nakai, sein Onkel mütterlicherseits, genoß einen guten Ruf als Medizinmann. Chee neigte dazu, Nakais Version für richtig zu halten und jegliche Veränderungen abzulehnen. Er drückte auf die Taste für schnellen Vorlauf und sah sich um.
Der Lesesaal der Zimmerman-Bibliothek der University of New Mexico war nur schwach besucht. Die vielen Tische waren leer bis auf Chees und einen weiteren, an dem ein hagerer Mann mittleren Alters methodisch den Inhalt einiger Kästchen durcharbeitete, in denen sich anscheinend Fotos und alte Briefe befanden. In der Stille klang das Surren des Kassettenrecorders störend laut. Chee stoppte den schnellen Vorlauf früher als beabsichtigt und hörte sich die Fortsetzung der Aufnahme an.
»... weit draußen nördlich von Ladron Butte. Das weiß ich von meinem Großvater. Er hat erzählt, daß die Utes den San Juan River stromaufwärts vom jetzigen Montezuma Creek überschritten haben und den Tsitah Wash hinaufgeritten sind. Das war damals ihre bevorzugte Route. Sie sind dort rausgekommen, wo jetzt die Schule in Red Mesa steht, und östlich der Tohatin Mesa weitergeritten, um die bei Sweetwater angesiedelten Navajos zu überfallen. Mein Großvater hat
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