Der Kojote wartet
dich ein.«
»Dazu müßte ich einen Termin absagen«, erklärte Kennedy. »Ist die Sache wirklich so wichtig?«
Leaphorn überlegte. Und überlegte noch mal. »Also?«
»Nein«, sagte Leaphorn. Er überlegte erneut. »Wahrscheinlich nicht.«
Er hörte Kennedy seufzen. »Okay, worum geht's diesmal? Nur für den Fall, daß ich irgend etwas nachschlagen muß. Oder etwas so Vertrauliches ausgraben muß, daß es mich meinen Job kosten könnte.«
»Delbert Nez«, antwortete Leaphorn.
»Ach, Scheiße!« sagte Kennedy. »Natürlich.«
»Warum?«
»Weil bei den Ermittlungen geschlampt worden ist«, sagte der FBI-Agent. »Noch mehr als üblich.«
*
Sie trafen sich im International Pancake House an der alten U.S. 66 bei Kaffee und Waffeln. Die Herbstsonne wärmte Leaphorns Schultern unter seiner Uniformjacke, während hinter ihm von der Interstate 40 kommender Verkehr vorbeirauschte. Ihm fiel auf, wie grau Kennedy geworden war und daß er - uncharakteristisch sowohl für FBI-Agenten als auch für einen Mann wie Jay Kennedy-einen Haarschnitt brauchte.
Alte Cops, dachte Leaphorn. Zwei alte Hunde, die es müde sind, die Schafe zu bewachen. Zwei alte Freunde - heutzutage fast schon eine Seltenheit.
Das FBI wartete wahrscheinlich nur darauf, Kennedy loszuwerden, der vor Jahren wegen eines Verstoßes gegen das noch von J. Edgar Hoover erlassene Verbot, ein schlechtes Medienecho zu provozieren, eine liberale Einstellung zu haben oder durch eine originelle Denkweise aufzufallen, hierher verbannt worden war. Wie es gerüchteweise hieß, sollte Kennedys Ehemalige in der Bürgerrechtsbewegung aktiv gewesen sein. Sie hatte ihn verlassen, um einen Immobilienmakler zu heiraten, aber Kennedy blieb trotzdem gebrandmarkt.
Was das betraf, hatte Leaphorn den Verdacht, daß es auch in der Hierarchie der Navajo Tribal Police einige Leute gab, die sich auf den Tag freuten, an dem er endlich in den Ruhestand ging. Er würde sie nicht mehr lange warten lassen.
Kennedy hatte gerade von einer der endlosen Streitereien zwischen staatlichen Behörden erzählt. Im vorliegenden Fall ging es darum, daß das FBI, das Amt für Flurbereinigung, die Forstverwaltung und das Amt für Indianerfragen versucht hatten, sich gegenseitig für den im Gesetz zur Sicherung von Altertümern vorgeschriebenen Schutz von Anasazi-Ruinen verantwortlich zu machen. Den größten Teil dieser Querelen kannte Leaphorn bereits von anderer Seite.
Kennedy verstummte plötzlich. »Du hörst mir nicht richtig zu«, stellte er fest.
»Warst du zufällig schon mal in China?« fragte Leaphorn. Der FBI-Agent lachte. »Noch nicht«, sagte er. »Aber sollte das Bureau dort eine Dienststelle einrichten - sagen wir in der Nördlichen Mandschurei -, würde ich bestimmt dorthin versetzt.«
»Würdest du hinwollen?«
Kennedy lachte erneut. »China steht auf meiner Wunschliste«, sagte er. »Gleich nach Angola, der Antarktis, Bangladesch, Lubbock, Texas, und dem australischen Outback. Warum? Willst du etwa hin?«
»Nicht wirklich«, antwortete der Lieutenant. »Früher habe ich mir öfter gewünscht, mal die mongolische Steppe zu sehen. Den Teil der Welt, aus dem die Athapaska-Indianer nach Amerika gekommen sein sollen.«
»Ich hab' früher davon geträumt, mal nach Irland zu reisen«, sagte Kennedy. »In die Heimat meines Urgroßvaters. Aber das hat sich mit der Zeit gegeben.«
»Yeah.« Leaphorn wechselte das Thema. »Weißt du, ob jemand den von Pinto benutzten Revolver überprüft hat?«
»Irgend jemand hat's getan«, bestätigte Kennedy. »Ein gebräuchlicher Typ, aber ich habe die Marke vergessen. Ein amerikanischer Revolver, das weiß ich noch, und ein teures Modell. Mit der Waffe war vor kurzem geschossen worden. Die Kugel, die sie Nez rausoperiert haben, stammt auf jeden Fall aus diesem Revolver. Und an Pintos Hand sind Schmauch-spuren festgestellt worden.«
»Woher hatte er die Waffe?«
»Keine Ahnung«, sagte Kennedy. »Der Alte hat sich bisher nicht dazu geäußert. Soviel ich gehört habe, schweigt er eisern. Vermutlich hat er den Revolver bei irgendeinem Pfandleiher gekauft.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Leaphorn.
Kennedy sah ihn stirnrunzelnd an. »Wie man hört, hast du ein bißchen rumgefragt«, sagte er. »Gibt's irgendeinen Grund dafür?«
Der Lieutenant verzog das Gesicht. »Ashie Pinto ist über Emmas Clan entfernt mit mir verwandt«, antwortete er. »Du kennst ihn?«
»Nie von ihm gehört.«
»Aber du bist zwangsverpflichtet
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