Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
Vom Netzwerk:
eines zerklüfteten Vulkankegels, der auf der Karte nicht näher benannt war, aber bei den in der Nähe wohnenden Familien Tse A'Digash - Hexenfels - hieß. Auf seinem langgestreckten Grat bildeten mit dem Buchstaben A markierte rote Stecknadeln eine dichte Kette. Das A bedeutete A'Digash- Hexerei. Jede Nadel dieser fast ein Vierteljahrhundert zurückreichenden Chronik bezeichnete einen Fall von Gewaltanwendung, Körperverletzung oder tätlicher Bedrohung, der durch Angst vor dem Treiben der sogenannten Skinwalker ausgelöst worden war.
    Leaphorn starrte die Karte an, aber vor seinem inneren Auge stand der Tse A'Digash: ein häßlicher schwarzer Felsgrat aus alter, mit Flechten bedeckter Lava, der sich südlich der Navajo Route 33 drei bis vier Meilen weit hinzog. Aus den vielen roten Nadeln leuchtete jetzt eine gelbe heraus. Ein Zufall? Möglicherweise. Aber Leaphorn hatte gelernt, Zufälle skeptisch zu beurteilen. Vielleicht hätte auch diese Stecknadel rot und mit einem A gekennzeichnet sein sollen.
    Tatsächlich hatte Leaphorn gelernt, allgemein skeptisch zu sein. Er griff nach einer weiteren gelben Nadel und steckte sie knapp südlich von Flagstaff in die Karte. Professor Bourebonette hatte gesagt, sie lebe in einem der südlichen Vororte. Ihre Motivation, hatte sie gesagt, sei ausschließlich Freundschaft. Dem Lieutenant war trotzdem alles andere als klar, welche Rolle sie in dieser Geschichte wirklich spielte.
    Danach nahm Leaphorn den Telefonhörer ab, wählte die Nummer der Registratur und forderte die Akte Delbert Nez an.
    Während er darauf wartete, blätterte er in den Prospekten über Chinareisen, die Bolack Travel ihm geschickt hatte. Einer betraf eine gemeinsam mit der Audubon Society veranstaltete Rundreise, auf der vor allem Vogelschutzgebiete besucht werden würden. Teile dieses Prospekts las er nochmals durch. Emma hatte Vögel geliebt und ihnen drei Futterstellen in ihrem Garten eingerichtet. Die anderen Reiseteilnehmer mochten vielleicht ganz interessante Leute sein. Aber er würde sich kaum mit ihnen unterhalten können, weil er ihre Liebe zur Vogelwelt nicht teilte.
    Die nächste Rundreise war eine reine Städtetour. Das ließ ihn kalt. Am besten reiste er wohl doch allein. Zuerst würde er bei der Arizona State University nachfragen, ob dort noch einer seiner alten Professoren für Anthropologie lehrte. Das war unwahrscheinlich, aber immerhin möglich. Sollte keiner von ihnen mehr dort beschäftigt sein, würde ihm vielleicht jemand anderer weiterhelfen. Er würde demjenigen dann auseinandersetzen, daß er ein Absolvent dieser Universität sei, die er vor vielen Jahren mit einem Magister in Anthropologie verlassen habe, und nach Asien reisen wolle, um dort nach Spuren seiner athapaskanischen Herkunft zu suchen.
    Davon träumte Leaphorn, seit ihm vor vielen Jahren als Student der Anthropologie klargeworden war, daß seine Vorfahren vermutlich aus der Mongolei nach Amerika gekommen waren. Sein Traum war jedoch in Vergessenheit geraten, nachdem er Emma kennengelernt und geheiratet hatte. Emma reiste nicht gern. Drei Tage Albuquerque erzeugten schon vages Unbehagen, so daß sie sich nach daheim sehnte. Drei Tage New York machten Emma krank. Sie hätte ihn begleitet, ohne im geringsten zu protestieren. Aber es wäre grausam gewesen, sie auf eine so weite Reise mitzuschleppen.
    Als die Akte Nez heraufgebracht wurde, betrachtete Leaphorn gerade eine Straßenszene in Schanghai und sah sich dort zwischen Tausenden von Radfahrern umherirren. Die Vorstellung deprimierte ihn.
    Der Lieutenant verbrachte fast eine Stunde damit, die Akte nochmals durchzulesen und sich in dem schmalen Notizbuch, das er stets in seiner Hemdtasche bei sich trug, einige Fragen zu notieren.
    Chee ist ein Wagen entgegengekommen. Das Fahrzeug des Lehrers?
    Was hat er gesehen?
    Teurer Whiskey. Wieso? Wo gekauft?
    Der Revolver. Wie ist er zu dieser Waffe gekommen?
    Zwei 50-Dollar-Scheine? Laut McGinnis war Pinto völlig abgebrannt.
    Hatte Pinto seinen jish bei sich?
    Und wo befindet er sich jetzt?
    Danach wählte er die Nummer der FBI-Dienststelle Gallup, ließ sich mit Jay Kennedy verbinden und lud ihn zum Mittagessen ein.
    »Was willst du diesmal?« fragte Kennedy mißtrauisch. »Augenblick!« protestierte Leaphorn. »Letztes Mal hast du etwas von mir gewollt, stimmt's? Ich sollte einen Tatort nach Reifenspuren absuchen.«
    »Die du nicht gefunden hast.«
    »Weil keine da waren«, stellte der Lieutenant fest. »Außerdem lade ich

Weitere Kostenlose Bücher