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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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vor dem Fernseher hocke. So würde die Geschichte auf dem Bildschirm ausgehen.«
    Sie äußerte sich nicht gleich dazu. »Irgend jemand muß einen Grund dafür gehabt haben, Oberst Ji zu ermorden. Er war an dem Abend, als Ihr Kollege erschossen worden ist, ebenfalls in dem Gebiet, in dem der Felsenmaler sein Unwesen treibt. Zumindest ist sein Wagen dort gesehen worden. Und er hat Felsen fotografiert. Vielleicht gibt es also doch irgendeinen Zusammenhang.«
    Der Lieutenant sah sie mit forschendem Blick an. Sie zuckte mit den Schultern. »Das klingt verrückt, aber die Felsen wären doch eine Verbindung... «
    Leaphorn bog von der Asphaltstraße nach links auf eine unbefestigte Straße ab, die dieses Jahr nicht planiert worden war. Hinter ihnen wirbelte Staub auf. »Nun«, sagte er, »wir werden's bald wissen.«
    Leaphorn hielt an der Stelle, wo der Streifenwagen von Officer Nez ausgebrannt war. Das Wrack war abgeschleppt worden - eine ungewöhnliche Maßnahme im Reservat, wo Schrottautos im allgemeinen dort verrosteten, wo sie liegengeblieben waren -, aber teilweise verbrannte Wacholderbüsche und angesengte Kakteen ließen ihn die Stelle sofort erkennen.
    »Da!« sagte Bourebonette und zeigte nach vorn. »Sehen Sie die weißen Flecken?«
    Die Felsformation ragte im Südwesten auf eines der zahlreichen erstarrten Lavagebilde an den Flanken der ehemaligen Vulkankegel, aus denen die meisten Bergketten der südlichen Rocky Mountains bestehen. »Wo?« fragte Leaphorn und sah dann einen weißen Streifen und noch einen und noch einen, wo kein Weiß hätte sein dürfen.
    »Ah«, sagte er und griff in die Tasche hinter dem Fahrersitz, um sein Fernglas herauszuholen. Bevor er es an die Au-gen hob, betrachtete er die Felsen und hielt nach Formen Ausschau, an die er sich von den Fotos erinnerte. Aber er entdeckte keine.
    Die Felsformation schien durch eine ganze Serie von Vulkanausbrüchen entstanden zu sein. An einigen Stellen war der Basalt im Laufe der Zeit durch Wind und Wetter abgeschliffen und mit einem Flechtenteppich bedeckt worden; dort wuchsen in seinen Spalten Büschelgras, Kakteen und kümmerliche Sträucher. An anderen Stellen war er jünger, noch schwarz und zerklüftet. Leaphorn schätzte die Länge des Felsgrats auf etwa zwei Meilen.
    Durchs Fernglas betrachtet wirkten die Felsen noch wilder und zerklüfteter. An einigen Stellen schien die empordrängende Lava die darüberliegende Sandsteinschicht aufgebrochen zu haben, so daß ein chaotisches Labyrinth aus schrägen Wänden und riesigen Felsblöcken entstanden war. Ganz oben im höchsten Teil des langgestreckten Felsgrats waren die weißen Stellen zu erkennen.
    Die Malerei war sorgfältig ausgeführt. Obwohl Chee davon gesprochen hatte, überraschte ihn diese Tatsache. An einer Stelle bildete das Weiße eine leichte Kurve - nicht perfekt, aber im allgemeinen sauber begrenzt. Der Lieutenant betrachtete die nächste Stelle. Es schien keine klar definierte geometrische Fläche zu sein, aber das mochte an der Perspektive liegen. Trotzdem waren auch hier klare Ränder gezogen. Von den übrigen weißen Flecken war zu wenig zu sehen, als daß er sich ein Urteil hätte bilden können.
    Er reichte Professor Bourebonette das Fernglas. »Achten Sie auf die Ränder«, sagte er dabei. »Achten Sie darauf, wie klar die Flächen begrenzt sind.« Während sie die weißen Stellen musterte, dachte er über das nach, was sie jetzt sah. Und dann wußte er plötzlich, von wo aus die Aufnahmen gemacht worden waren.
    Sein Onkel hatte recht gehabt. Viele Dinge erscheinen uns nur deshalb zufällig, weil wir sie aus einem falschen Blickwinkel betrachten.
    Leaphorn erzählte Bourebonette davon, während sie auf der Straße zum Haus der Dineyahzes weiterholperten.
    »Ich weiß, daß es verrückt klingt«, gab er zu, »aber ich glaube, daß Ji oder sein Sohn diese Aufnahmen gemacht haben, um mit Hilfe der Vergrößerungen planen zu können, welche Flächen weiß angemalt werden sollten.«
    Professor Bourebonette wirkte angemessen überrascht. Sie dachte darüber nach. Der Lieutenant bremste wegen einer Querrinne und fuhr dann auf der Straße weiter, die bald nur noch aus zwei Parallelspuren bestand, die durch Büffelgras und Schlangenkraut führten.
    »Okay«, sagte Bourebonette schließlich. »Wer eine völlig unregelmäßige Oberfläche mit etwas Regelmäßigem bemalen will, müßte wohl so vorgehen.«
    »Das glaube ich auch«, bestätigte Leaphorn. »Man entscheidet sich für einen Ort,

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