Der Kojote wartet
Pferdedieben und dem Tod der beiden Weißen verlassen. Aber jetzt wollte er sich die Geschichte im Original anhören.
17
Das gelbe Plastikband, mit dem Tatorte von der Polizei abgesperrt wurden, hing lose vor Oberst Jis Gartentor. Leaphorn band es los, ließ Professor Bourebonette durch und verknotete es wieder hinter ihnen. »Ist das auch bestimmt in Ordnung?«
»Die FBI-Leute sind hier längst fertig«, sagte der Lieutenant. »Trotzdem wär's keine schlechte Idee, die Hände in den Taschen zu lassen und nichts zu verändern.«
In Wirklichkeit war ihr gemeinsamer Besuch keineswegs in Ordnung. Besser wäre es gewesen, wenn Bourebonette draußen im Wagen gewartet hätte. Außerdem hätte er sich Huan Jis Dunkelkammer noch einmal in Ruhe ansehen sollen, bevor er seine Begleiterin in der Bibliothek abgeholt hatte. Aber diese Idee war ihm zu spät gekommen. Aber dann hatte sein Vorhaben ihn nicht mehr losgelassen. Irgendein Gefühl, das Leaphorn sich selbst nicht erklären konnte, drängte ihn zur Eile.
Er sperrte die Haustür auf und fühlte den kühlen Luftzug, der aus leeren Häusern strömt, als er sie öffnete. Der kühle Hauch war Leaphorn vertraut - er spürte ihn Abend für Abend, wenn er in seine Wohnung in Window Rock kam.
Im Wohnzimmer hatte sich bis auf die schwachen grauen Spuren von Fingerabdruckpuder auf Möbeln und Fensterbänken praktisch nichts verändert. Leaphorn beobachtete, wie Professor Bourebonette die mit Kreide markierten Umrisse von Huan Jis Leiche anstarrte. Ihm fiel auf, daß die beiden kurzen Zeilen, die der Oberst an die Wand geschrieben hatte, bei künstlichem Licht viel dunkler wirkten. Und er registrierte Bourebonettes Gesichtsausdruck. Anstrengung? Verdruß? Trauer? Offensichtlich war dies alles unangenehm für sie. Aber warum war sie dann mitgekommen?
Die Dunkelkammer war noch genau so, wie er sie in Erinnerung hatte: ein kleiner, enger Raum, in dem es stechend nach Entwicklerflüssigkeit roch. Die Vergrößerungen lagen noch im Drahtkorb, aber jetzt wiesen auch sie graue Puderspuren auf. Würde ein FBI-Techniker Joe Leaphons Fingerabdrücke aussortieren? Der Lieutenant dachte darüber nach. Nein, er hatte die Fotos nur an den Rändern angefaßt.
Jetzt breitete er die Vergrößerungen in zwei ordentlichen Reihen auf dem Tisch aus und begutachtete sie methodisch. Lauter Hochglanz-Schwarzweißbilder im Format 18 x 24. Alle schienen Teile eines Basaltkegels zu zeigen und aus beträchtlicher Entfernung mit einem Teleobjektiv gemacht worden zu sein. Von allen Negativen gab es verschieden starke Vergrößerungen, aber der Aufnahmewinkel war jeweils identisch, als habe der Fotograf die Bilder von einem Standort aus, aber mit Wechselobjektiven gemacht. Auf allen Fotos war derselbe Teil der Felsformation abgebildet, der sich jeweils in der Bildmitte befand.
Leaphorn zeigte sie Bourebonette und erklärte ihr, was er dachte.
»Warum mit einem Teleobjektiv?« fragte sie.
» Sehen Sie den Wacholderbusch hier im Vordergrund? Da ist er noch mal. Sehen Sie, wie der Abstand sich scheinbar verkürzt hat? Das ist typisch für Aufnahmen mit Teleobjektiv.«
Louisa Bourebonette nickte zustimmend. »Natürlich«, sagte sie dann. »Jetzt sehe ich es auch.«
»Sie kennen das Reservat ziemlich gut. Kommt Ihnen irgend etwas bekannt vor?«
Sie betrachtete die Vergrößerungen. »Offensichtlich ist es immer dieselbe Formation. Aber man sieht nicht genug, um sich die dazugehörige Landschaft vorstellen zu können.«
»Haben Sie diesen Felsen schon einmal gesehen?«
Sie zuckte lächelnd mit den Schultern. »Vermutlich - zumindest einen ähnlichen. Solche Felsen gibt's unten im Malpais bei Grants zu Dutzenden. Oder in den Bisti Badlands, in den Zuni Mountains, zwischen Monument Valley und Black Mesa, unten bei den Hopi Buttes oder hier zwischen Shiprock und Littlewater. Oder bei den Vulkankegeln am Mount Taylor oder...« Sie schüttelte den Kopf und gab Leaphorn die Fotos zurück. »Schwer zu sagen. Praktisch überall, wo bei einem Vulkanausbruch flüssige Lava aus dem Erdboden gedrungen ist. Und das ist hier draußen ziemlich häufig passiert.«
»Die Felsen müssen irgendwo hier in der Nähe sein, glaube ich«, sagte der Lieutenant. »Vermutlich stammen diese Aufnahmen von Ji oder seinem Sohn. Können Sie sich vorstellen, weshalb einer der beiden sie gemacht hat? Oder wozu er die vielen Vergrößerungen gebraucht hat?«
»Keine Ahnung«, gab sie zu. »Aber die Fotos sind jedenfalls nicht wegen
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