Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
Vom Netzwerk:
dann, »warum sein Vater ermordet worden ist.«
    »Oder von wem«, sagte der Lieutenant.
    Obwohl er sich allmählich einbildete, auch das ziemlich genau zu wissen.



18  
    Chee hatte gehofft, Janet Pete abfangen zu können, bevor die Sitzung des Bundesgerichts begann. Aber die Suche nach einem Parkplatz mitten in Albuquerque kostete viel Zeit. Deshalb sah er beim Verlassen des Aufzugs gerade noch, wie Hosteen Pinto von zwei U.S. Marshals in den Gerichtssaal geführt wurde.
    »Heute werden die Geschworenen ausgewählt«, hatte ihm die Empfangsdame in Janets Dienststelle erklärt. »Dazu ist sie drüben bei Richterin Downey im neuen Federal Building. In der Gold Avenue.«
    »Wie lange wird es dauern?« hatte Chee gefragt - und als Antwort erhalten: »Vielleicht den ganzen Tag. Vielleicht zieht es sich auch bis morgen hin. Vermutlich können Sie sie erwischen, bevor die Sache anfängt. Wenn Sie sich beeilen.«
    Offenbar hatte er sich nicht genug beeilt. Aber vielleicht gab es irgendwann eine Verhandlungspause, während der er mit Janet reden konnte. Er nickte dem Gerichtsdiener an der Tür zu und betrat den Saal.
    »Sie müssen sich in die vierte oder fünfte Reihe setzen«, erklärte ihm der Gerichtsdiener. »Die vorderen Reihen sind für die Geschworenen reserviert, und die Kandidaten sitzen in den hinteren Reihen, bis sie aufgerufen werden.«
    Chee ließ sich in der vierten Reihe an der Wand nieder und sah zu, wie die Geschworenenkandidaten hereingeführt wurden. Soweit er sich erinnerte, waren es jeweils sechzig Personen: Männer und Frauen aus New Mexico, die nicht viel gemeinsam hatten, außer daß sie in diesem Gerichtsbezirk lebten und hier als Wähler registriert waren. Und daß ihre Namen für dieses Ehrenamt gezogen worden waren.
    Sobald der letzte Kandidat Platz genommen hatte, drehte eine Fünfzigerin in einem dunkelblauen Kleid die Lostrommel auf dem Tisch neben dem des Richters und begann Namen zu ziehen. Ein ältlicher Hispano namens Martinez wurde als erster aufgerufen. Er kam nach vorn, wandte sich nach rechts und nahm auf dem ersten Stuhl der ersten Reihe Platz.
    »Mrs. Eloise Gibbons«, las die Dunkelblaue vor. Eine schlanke junge Frau in einem grauen Hosenanzug kam nach vorn und setzte sich neben Martinez.
    »Mr. William Degenhardt«, sagte die Dunkelblaue. Ein konservativ aussehender Mann mit konservativem Haarschnitt und konservativem braunen Anzug nahm neben der jungen Frau Platz.
    Die Dunkelblaue setzte ihre Litanei fort und füllte die Stuhlreihe vor der Schranke und dann die beiden Reihen dahinter. Etwas mehr Frauen als Männer, schätzte Chee. Das erste Dutzend bestand aus sieben Weißen und Hispano-Amerikanern, einer Vietnamesin, einer älteren Navajo, einem Mann, der ein Apache zu sein schien, und zwei Männern, die eindeutig Pueblo-Indianer waren, obwohl Chee nicht hätte sagen können, aus welchen Pueblos sie stammten.
    Janet Pete und ein Mann, den er für den zuständigen Bundesanwalt hielt, standen vor dem erhöhten Tisch, an dem die Richterin saß. Die beiden besprachen etwas mit ihr. Ob das ein Vorteil war? Eine Richterin, eine Anwältin? Chee glaubte es nicht. Diese Konstellation war heutzutage alltäglich.
    Chee fühlte sich schläfrig. Im Saal war es warm, und er hatte vergangene Nacht kaum ein Auge zugetan. Er dachte an seine Hand, die unter dem Verband juckte. Würde er sie jemals wieder richtig bewegen können? Er dachte daran, was er Janet hatte erzählen wollen: daß Jis Sohn der Fahrer des Wagens gewesen war, den er in der Tatnacht gesehen hatte, und daß
    Oberst Ji eine Nachricht an der Wand seines Wohnzimmers hinterlassen hatte. Chee dachte daran, wie Janet Pete aussah. Sie trug ein dunkelgrünes Kostüm, dessen Rock bis weit unter ihre Knie reichte. Sie hatte hübsche Knie, die er noch nicht oft zu sehen bekommen hatte, und hübsche Knöchel.
    Janet stand jetzt vor den zukünftigen Geschworenen, und die Richterin fragte, ob jemand von ihnen die Verteidigerin oder ihre Familie kenne oder jemals mit ihr zu tun gehabt habe. Wirklich eine Klassefrau! dachte Chee. Er spürte, wie Zuneigung und chauvinistischer Navajostolz ihn durchfluteten. Und er fühlte, daß er sie begehrte - vergebens begehrte. Seit dem Tag, an dem Janet ins Krankenhaus gekommen war, um ihn zu besuchen, hatte er bei ihr mehr und mehr an Boden verloren. Davon war er überzeugt. Sie mochte ihn jetzt weniger als an jenem Morgen.
    Nun war der Staatsanwalt an der Reihe, von den Geschworenen prüfend gemustert

Weitere Kostenlose Bücher