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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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Birdie war ein stämmiger junger Mann mit schwarzem Bürstenhaarschnitt - ein Halb-Apache. Boshafte Zungen behaupteten, der Sheriff habe ihn eingestellt, um sich Stimmen aus dem nahegelegenen Jicarilla-Apache-Reservat zu sichern, und wisse noch immer nicht, daß Birdie ein Mescalero sei, dessen zahlreiche Verwandten zweihundert Meilen weiter südöstlich im Otero County stimmberechtigt seien. Chee wußte, daß Birdie tatsächlich ein White Mountain Apache war, dessen Verwandtschaft in Arizona wählte, und vermutete, daß der Sheriff ihn eingestellt hatte, weil er clever war. Faul war er jedoch leider auch.
    »Mach schon, verdammt noch mal!« sagte Chee. Er kam hinter die Theke. »Hau ab und hol die Akte Pinto. Ich bleib' inzwischen am Telefon.«
    »Was soll die Eile, verdammt noch mal?« knurrte T. J. widerstrebend.
    Aber er verschwand murrend. Als er wenige Minuten später zurückkam, legte er einen Aktenordner vor Chee hin.
    Die Liste des bei Hosteen Ashie Pinto beschlagnahmten persönlichen Besitzes war kurz:
    1 Geldbörse mit Inhalt:
    - 2 Scheine zu 50 Dollar
    - 1 Photo (eine Frau)
    - 1 Photo (zwei Männer)
    1 Taschenkamm
    1 Taschenmesser
    1 Kautabakdose mit Maismehl
    1 Lederbeutel (jish) mit Inhalt:
    - 2 Kristalle
    - Federn
    - Mineralien
    - Plastiksäckchen mit Blütenstaub
    - verschiedene kleine jish -Gegenstände
    Chee gab Birdie den Ordner zurück.
    »Schon fertig?« fragte der Deputy. »Kann ich jetzt wieder meine Pflicht fürs San Juan County tun?«
    »Danke, T. J.«, sagte Chee.
    »Für was hast du dich interessiert? Hast du's gefunden?«
    »Für seinen jish. Der Alte ist ein Hellseher«, antwortete Chee. »Ich wollte wissen, ob er gearbeitet hat. Ob er sein Medizinbündel bei sich hatte.«
    »Scheiße«, sagte Birdie. »Ich hatte Nachtdienst, als er hier eingeliefert worden ist. Das hättest du auch von mir erfahren können. Du hättest mir'ne Menge Arbeit sparen können. Wär bloß 'ne kurze Frage gewesen.«
    Es war schon spät, aber Chee entschloß sich zu der Vierstundenfahrt nach Albuquerque, auf der er über seine neugewonnenen Erkenntnisse nachdachte.
    An erster Stelle stand die Tatsache, daß Tagert den alten Pinto angeheuert hatte. Vermutlich hatte er ihn in seinem Hogan abgeholt und in die Nähe des Ortes gebracht, für den er sich interessierte. Ashie Pinto hatte seine Kristalle mitgenommen - die Werkzeuge seines Berufs als Finder des Verlorenen und Seher des Unsichtbaren. Manche der am Rande des Reservats lebenden Weißen gingen zu indianischen Hellsehern, aber zu Tagert paßte das irgendwie nicht. Vermutlich interessierten ihn die Erinnerungen des Alten mehr als seine hellseherischen Fähigkeiten.
    Pintos Erinnerungen woran? Logischerweise mußten sie mit Tagerts Interesse an den beiden Weißen zusammenhängen, die vor einem langen Menschenleben in irgendeiner Felsformation des Navajo-Reservats umgekommen zu sein schienen. Vermutlich war Tagert auf der Suche nach ihren Leichen, um womöglich beweisen zu können, daß einer der Toten der berüchtigte Butch Cassidy gewesen war.
    Ebenfalls logisch war die Schlußfolgerung, daß die Felsformation nicht allzu weit von der Stelle entfernt sein konnte, wo er Ashie Pinto festgenommen hatte. Als Folge starker Vulkantätigkeit, die in diesem Gebiet die Erde gespalten und den Ship Rock mit seinen Basalttürmen gebildet hatte, gab es hier reichlich Felsformationen aller Größen. Es konnte sogar die eine sein, die er mit Janet Pete erstiegen hatte, um das Werk des verrückten Felsenmalers aus der Nähe zu betrachten.
    Sollten alle anderen Fährten in Sackgassen enden, würde er diese eine Felsformation vielleicht nochmals absuchen. Wenn er sich ein bis zwei Tage dafür Zeit nahm, fand er vielleicht etwas. Oder bekam einen Schlangenbiß ab. Andererseits suggerierte die Geschichte, die Hosteen Pinto erzählt hatte, daß Hexen in die Sache verwickelt waren. Er wollte erst einmal feststellen, wohin ihn dieser Sachverhalt führen mochte.
    Nicht weniger rätselhaft war vorläufig der Mord an Oberst Ji. Wer hatte es getan? Und warum? Nach Chees Vermutung hatte Ji gelogen, um seinen Sohn zu schützen. Was hatte der Junge getan? Oder war sein Vater lediglich besorgt gewesen, sein Sohn könnte in etwas Gefährliches verwickelt sein?
    Mit diesen Überlegungen beschäftigte Chee sich wieder und wieder und wieder. So hielt er sich auf der endlos langen Fahrt in Richtung Albuquerque wach. Bisher hatte er sich auf eine Übersetzung von Hosteen Pintos Erzählung von den

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