Der Kojote wartet
zu werden. Ein Mann in der ersten Reihe hob die Hand und gab an, ihn zu kennen. Sie gehörten derselben Kirchengemeinde an. Der Mann durfte gehen.
Dann erhob sich Ashie Pinto. Der Geschäftsanzug, in den sie ihn im Bernalillo County Jail für diesen Auftritt gesteckt hatten, war ihm zu groß, so daß er noch hagerer wirkte, als Chee ihn in Erinnerung hatte.
»Drehen Sie sich bitte zu den Geschworenen um, Mr. Pinto«, forderte ihn die Richterin auf.
Der Alte zuckte zusammen, als sein Name genannt wurde. Er blickte sichtlich verwirrt zu der Richterin hinüber. »Dolmetscher!«
Der Dolmetscher schreckte hoch, erhob sich hastig und sprach so leise auf Pinto ein, daß Chee ihn nicht verstehen konnte.
Hosteen Pinto starrte ihn an und legte eine Hand hinters Ohr.
»Sie möchte, daß du den Kopf hebst«, erklärte der Dolmetscher ihm jetzt. »Damit sie dich sehen können.«
Der Alte, aus dessen Miene teils Verlegenheit, teils Entschlossenheit sprach, starrte die Geschworenen an. Sein Blick wanderte durch den Saal, zögerte kurz, als er zu der Navajo unter den Geschworenen kam, und zögerte dann erneut, als er Jim Chees Blick begegnete.
Chee senkte den Kopf und starrte auf seine juckende Hand. Keiner kannte Hosteen Ashie Pinto. Weder die Weißen noch die Hispanos, der Apache, die Pueblos oder die Asiatin. Weder Janet Pete noch ich. Er ist ein Schamane. Er ist uns allen fremd.
Der Staatsanwalt warf einen Blick in seine Unterlagen und wandte sich an die Navajo. »Mrs. Greyeyes, wie ich sehe, leben Sie in Nakaibito. Im Navajo-Reservat. Trifft das zu?«
»Eigentlich fast am Coyote Canyon«, sagte Mrs. Greyeyes. »Aber im Reservat?«
»Ja.«
»Sind Sie eine Navajo?«
»ja.«
»Sind Sie irgendwie mit dem Angeklagten verwandt?«
»Ich weiß es nicht.«
Der Staatsanwalt blätterte in seinen Unterlagen. »Ich habe hier zwei Clans stehen: Turning Mountain Dinee und Bitter Water People.« Er sah zu dem Dolmetscher hinüber. »Ist das richtig - zwei Clans?«
»Der seiner Mutter und der seines Vaters«, bestätigte der Dolmetscher. »Zwei Clans.«
»Ich bin den Sage Brush Hill People geboren worden«, sagte die Frau. »Und dem Towering House Clan.«
»Folglich existiert keine Verbindung? Stimmt das?«
»Wir sind nicht verwandt«, antwortete Mrs. Greyeyes. Die Richterin beugte sich nach vorn und starrte den Dolmetscher an. »Miss Pete«, fragte sie, »finden Sie nicht, daß Ihr Mandant wissen sollte, was hier vorgeht?«
Janet Pete wirkte zerknirscht.
»Ich beantrage eine Übersetzung«, sagte sie.
»Dem Antrag wird stattgegeben«, entschied Richterin Downey.
Der Dolmetscher war ein Mann Anfang Vierzig, dessen leicht zerzaustes Aussehen wahrscheinlich angeboren war. Er erläuterte Pinto in lautem, präzisem Navajo, worüber der Staatsanwalt und Mrs. Greyeyes gesprochen hatten.
Chee begann zu dösen. Dann schreckte er wieder auf. Janet Pete befragte eben den konservativ wirkenden Mann.
»Mr. Degenhardt, ich möchte wissen, ob Sie persönlich beziehungsweise Ihre Verwandten oder Ihre Freunde schon einmal ein unangenehmes Erlebnis mit einem Navajo hatten? Hatten Sie jemals Streit mit einem Navajo? Oder etwas Ähnliches in dieser Richtung?«
Degenhardt dachte darüber nach.
Der Dolmetscher sagte: »Sie fragt, ob er jemals Streit mit einem Navajo hatte.«
Degenhardt schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Fühlen Sie sich aus irgendeinem Grund Mr. Pinto gegenüber voreingenommen?«
»Sie fragt, ob er fair sein wird«, sagte der Dolmetscher. »Nein, Ma'am«, antwortete Degenhardt.
»Er sagt ja«, übersetzte der Dolmetscher.
Chee hörte gar nicht mehr richtig zu. Welcher Dolmetscher hatte Ashie Pintos auf Tonband aufgenommene Erzählung übersetzt, damit sie niedergeschrieben werden konnte? War er so faul wie dieser gewesen? Hatte er Textpassagen ausgelassen? Hatte er andere zusammengefaßt? Oder war er ein traditionalistischer Navajo gewesen, der möglicherweise unangenehme Passagen über Hexen und Skinwalker ausgelassen hatte? Chee erinnerte sich, daß er gestern beschlossen hatte, sich Hosteen Pintos Erzählung im Original anzuhören. Bis hier der letzte Geschworene bestimmt war, konnten noch Stunden vergehen. Chee stand auf und bewegte sich leise in Richtung Ausgang.
Einen Parkplatz in der Nähe des Gerichtsgebäudes zu finden war ein Kinderspiel im Vergleich zur Suche nach einem Parkplatz irgendwo in der Nähe der Universitätsbibliothek. Chee stellte seinen Pickup schließlich auf der für Dienstfahrzeuge
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