Der Kojote wartet
Alte betrunken wäre - zum Arroyo runterschleichen könnte, sobald es noch etwas dunkler geworden wäre, um meinen Wagen zu holen und mich aus dem Staub zu machen.
Ich hab' einfach dagesessen und gewartet. Nach einiger Zeit haben die beiden, die weitergeklettert waren, laut durcheinandergerufen. Es klang richtig aufgeregt. Darum hab' ich geglaubt, sie hätten ein paar Schlangen aufgestöbert.«
Taka Ji sah zu seiner Tante, zu Janice und zuletzt zu Chee hinüber. Er räusperte sich.
»Dann hab' ich einen Schuß gehört«, sagte er. »Und dann bin ich abgehauen, hab' den Wagen geholt und bin heimgefahren.«
Er sah sich erneut um. Sein Bericht war beendet. Nun wartete er auf Fragen.
Janice Ha starrte ihn verblüfft an. »Einen Schuß? Hast du deinem Vater davon erzählt? Das hättest du der Polizei melden müssen! «
Mrs. Ha fragte ihre Tochter etwas auf vietnamesisch, erhielt eine Erklärung und antwortete darauf. Dann sagte Janice hörbar verärgert auf englisch: »Das ist mir völlig egal! Wir leben jetzt in Amerika.«
»Von woher ist der Schuß gekommen?« wollte Chee wissen.
»Irgendwoher aus den Felsen. Aus der Richtung, aus der vorher die Stimmen gekommen waren. Ich hab' gedacht, einer der beiden hätte auf eine Schlange geschossen.«
»Nur ein Schuß?«
»Einer«, bestätigte Taka.
»Bist du noch dort gewesen, als Officer Nez eingetroffen ist?«
»Ich hab' seinen Wagen gehört. Westlich der Felsen verläuft ein Fahrweg. Auf dem ist er näher gekommen. Genau auf uns zu.«
»Hatte er die Sirene eingeschaltet? Und das Blaulicht?«
»Nein, aber ich hab' gleich erkannt, daß es ein Streifenwagen war. Da hab' ich gewußt, daß es Zeit war, schnell zu verschwinden. Deshalb bin ich abgehauen, hab' meinen Wagen aus dem Arroyo geholt und bin heimgefahren.«
»Erinnerst du dich, wie du mir begegnet bist?«
»Das hat mir angst gemacht«, gab Taka zu. »Ich hab' gesehen, wie Sie mir mit Eiltempo entgegenkamen.« Er machte eine Pause. »Ich hätte anhalten sollen. Ich hätte Ihnen von dem Schuß erzählen sollen.«
»Das hätte keinen Unterschied gemacht«, behauptete Chee, obwohl er im stillen dachte, daß der Junge seinem Vater so vielleicht das Leben hätte retten können.
Mrs. Ha beobachtete sie und hörte aufmerksam zu. Chee hatte den Verdacht, daß sie besser Englisch konnte, als sie vorgab.
»Ich möchte, daß du mir den Weg erklärst«, forderte Chee ihn auf. »Draußen in meinem Wagen habe ich eine genaue Karte. Ich möchte, daß du die Stelle markierst, wo diese Leute in den Felsen herumgestiegen sind.«
Taka Ji nickte.
Mrs. Ha sprach Chee direkt auf vietnamesisch an und wartete dann auf die Übersetzung durch ihre Tochter.
»Sie sagt, daß wir in Vietnam ein Sprichwort haben...« Janice zögerte. »Ich weiß nicht genau, wie dieses Tier im Englischen heißt. Ah, jetzt fällt's mir ein! Dieses Sprichwort besagt, daß das Schicksal mit Menschen so sanft umspringt wie ein Mungo mit Mäusen.
Chee nickte zustimmend. »Sie können Ihrer Mutter sagen«, erklärte er Janice Ha, »daß wir Navajos ein ähnliches Sprichwort haben. Wir sagen: >Kojote lauert ständig dort draußen, und Kojote ist immer hungrig.<«
*
Als sich die Aufzugtür öffnete, war auf einen Blick klar, daß sich das Gericht zur Mittagspause vertagt hatte. Im Flur vor den Aufzügen wimmelte es von Menschen. Janet Pete kam auf ihn zugehastet. Sie betraten den Lift gemeinsam mit etwa dreißig weiteren Bürgern.
»Ich habe den jungen Ji gefunden«, erklärte Chee ihr. »Ich komme gerade von ihm.« Dann berichtete er, was Leaphorn herausbekommen hatte - daß Taka Ji der geheimnisvolle Felsenmaler gewesen war, und daß er sich in der Tatnacht draußen in den Felsen herumgetrieben hatte.
»Als nächstes erzählst du mir bestimmt, daß du jetzt deinen Zeugen gefunden hast. Daß der Junge beobachtet hat, wie Delbert Nez von Ashie Pinto erschossen worden ist.«
Janet stand in dem überfüllten Aufzug seitlich gegen ihn gedrückt. Chee konnte lediglich ihren Scheitel und den Ansatz einer Wange sehen. Aber er wußte auch so, daß ihr die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben stand. Er merkte es an ihrem Tonfall.
»Nein«, widersprach Chee. »Eigentlich...« Ein nach Old Spice riechender Dicker mit einem Aktenkoffer lehnte sich so fest gegen seine Hand, daß Chee unwillkürlich tief Luft holte. Nachdem er die Hand vorsichtig befreit hatte, streckte er sie über den Köpfen hoch und zog es vor, lächerlich zu wirken, statt nochmals
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