Der Kojote wartet
Jean Jacobs nickte.
Sie wechselten einen nachdenklichen Blick.
»Aber er hat eine Mitteilung hinterlassen«, sagte sie. Aus einer Schublade ihres Schreibtischs holte sie eine lachsfarbene Haftnotiz, die sie vor Chee hinlegte.
Quer über den Zettel hatte jemand gekritzelt:
Jacobs, rufen Sie die Einschreibungsstelle an und beschaffen Sie die Listen ausnahmsweise mal rechtzeitig. Sorgen Sie dafür, daß dieser Schweinestall saubergemacht wird und lassen Sie die Fensterputzen!
»Unterschreibt er seine Mitteilungen nicht?« fragte Chee. Die Jacobs lachte. »Kein bitte, kein danke - das ist Tagerts Unterschrift.«
»Aber das hat er selbst geschrieben?«
Sie warf einen Blick auf den Zettel. »Wer denn sonst?« Chee telefonierte von Tagerts Apparat aus mit der Dienststelle des Federal Public Defenders und verlangte Janet Pete. Dröhnend drang die Stimme der Telefonistin aus dem Hörer, als sie ihm erklärte, daß Miss Pete noch bei Gericht sei. Er nahm stirnrunzelnd den Hörer vom Ohr.
Jean Jacobs beobachtete ihn lächelnd. »Der Professor ist schwerhörig«, erklärte sie ihm. »Er hat sich bei der Telefongesellschaft immer wieder über ihre schlechten Hörkapseln beschwert, bis sie ihm schließlich dieses Ding eingebaut haben.«
» Wow! « sagte Chee.
»Halten Sie den Hörer einfach vom Ohr weg. Keine große Sache, wenn man's erst mal begriffen hat.«
Die Telefonistin sprach weiter - was sich jetzt nach dem Rat der Jacobs besser ertragen ließ.
»Aber ich habe eine Nachricht für Sie«, sagte sie gerade. »Eigentlich für Miss Pete. Sie soll Ihnen bestellen, daß Sie in Window Rock anrufen sollen. Lieutenant Joe Leaphorn hat um ihren Rückruf gebeten.«
Chee rief ihn an.
»Sind Sie in Albuquerque?« fragte Leaphorn.
Chee bejahte seine Frage.
»Inzwischen hat sich etwas Merkwürdiges ergeben«, berichtete der Lieutenant. »Bei dem Felsenmaler, nach dem Nez gefahndet hat, handelt es sich um Taka Ji.«
»Oh«, sagte Chee. Er dachte darüber nach. »Wie haben Sie das herausgekriegt?«
Leaphorn erzählte es ihm.
»Hat schon jemand mit ihm gesprochen?«
»Sie sind kaum zu verstehen«, sagte Leaphorn. »Ihre Stimme klingt, als stünden Sie draußen im Flur.«
Chee brachte die Sprechmuschel etwas dichter an seine Lippen. »Hat schon jemand mit ihm gesprochen?« wiederholte er. Leaphorn erklärte ihm, der Junge sei zu Verwandten nach Albuquerque gebracht worden. Er diktierte Chee den Namen und die Telefonnummer. »Als ich dort angerufen habe, hat sich niemand gemeldet. Aber ich glaube, daß jemand persönlich mit ihm reden sollte.«
»Haben Sie das FBI darüber informiert?«
Chees Frage hatte längeres Schweigen zur Folge. Dann lachte Leaphorn halblaut. »Das Bureau war an der Vandalismus-Sache nicht sonderlich interessiert.«
»Es sieht also keinen Zusammenhang?«
»Womit? Der für die Ermittlungen im Mordfall Ji zuständige Agent ist neu hier in der Gegend - und überhaupt noch ziemlich unerfahren. Ich habe den Eindruck, daß er irgendwann mit dem Jungen reden wird, aber ich bezweifle, daß er begreift, welcher Zusammenhang zwischen dieser romantischen Felsenmalerei und der Erschießung von Oberst Ji bestehen könnte. Soviel ich mitbekommen habe, tippt das FBI darauf, daß das Ganze irgendwie mit Vietnam zu tun hat. Und mit seiner dortigen Tätigkeit.«
»Warum nicht mit der Ermordung von Officer Delbert Nez?« fragte Chee.
Wieder eine Pause. »Yeah«, sagte Leaphorn dann. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Das könnte der Schlüssel zu allem sein. Haben Sie in dieser Hinsicht schon etwas herausgekriegt?«
Chee stellte zu seiner Überraschung fest, daß er sich über die Frage des Lieutenants freute. Sie war offenbar ernst gemeint. Der berühmte Joe Leaphorn fragte ihn etwas. Aber leider wußte er keine Antwort darauf. Zumindest keine befriedigende.
»Noch nicht«, gab er zu. »Aber ich glaube, daß sich herausstellen wird, daß hinter dem Mord an Nez mehr steckt, als wir bisher angenommen haben.«
»Das sehe ich genauso. Hat der Prozeß schon begonnen?«
»Zunächst werden die Geschworenen ausgewählt. Vielleicht beginnt er morgen. Oder spätestens übermorgen.«
»Sie gehören vermutlich zu den ersten Zeugen, stimmt's?«
»Ich bin vorgeladen. Der Staatsanwalt will, daß ich über die Festnahme aussage. Ich soll meine Beobachtungen wiedergeben.«
»Dann sind Sie also in Albuquerque«, stellte der Lieutenant fest. »Ich weiß, daß Sie krank geschrieben sind, aber ich finde, Sie sollten
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