Der Komet im Cocktailglas
abzugeben, kam dieses für uns so enorm wichtige Gas in die Luft. Anfangs ging es noch langsam. Nach einer Milliarde Jahre bestand die Luft zu etwa drei Prozent aus Sauerstoff. Ein paar hundert Millionen Jahre später waren es schon mehr als zehn Prozent. Heute macht der Sauerstoff circa 20 Prozent der Erdatmosphäre aus. Ohne ihn könnten wir nicht leben. Für die frühen Lebewesen war er aber reines Gift. Ihr Organismus war nicht darauf eingestellt, mit diesem Element klarzukommen, und der Übergang zu einer sauerstoffreichen Atmosphäre verursachte ein gewaltiges Massensterben. All die Bakterien und Algen, die früher wunderbar ohne Sauerstoff auskamen, waren nun mit einem Gas konfrontiert, dass giftig für sie war, und starben aus. Eine ganz neue Klasse von Lebewesen entwickelte sich. Für sie war der Sauerstoff kein Gift mehr, sondern Lebensgrundlage. Auch wir Menschen gehören natürlich dazu.
So wichtig der Sauerstoff für das Leben auf der Erde ist: Er alleine reicht nicht, um es zu ermöglichen. Das Leben braucht eine Energiequelle. Und für uns ist das die Sonne. Die Pflanzen sind in der Lage, das Sonnenlicht direkt in für sie verwertbare chemische Energie umzuwandeln (mit dem Sauerstoff als Abfallprodukt). Wir Menschen können das nicht. Wir müssen die Pflanzen essen, um uns die Energie zunutze zu machen, die in ihnen steckt. Oder wir essen Tiere, die vorher Pflanzen gegessen haben. Am Anfang steht immer das Licht der Sonne und seine Energie. Unser Eintopf, unser Stück Brot, unser Glas Bier: All das ist nichts anderes als Sonnenenergie in einer Form, die unser Körper verwerten kann. Wenn wir jetzt also den verdienten Snack genießen und neue Kräfte tanken, verdanken wir unsere zurückgewonnene Energie der Sonne.
Die Zeit, während der wir unseren Eintopf löffeln, können wir aber noch nutzen, um eine Ecke weiter zu denken: Die Kalorien in unserem Essen stammen von der Sonne. Aber wo nimmt die eigentlich die Energie her?
Die Sonne ist ohne Zweifel das auffälligste Himmelsobjekt. Wenn sie auf- oder untergeht, können wir das nicht übersehen. Genauso wenig, wie wir übersehen können, dass sie Energie zur Erde liefert. Wenn die Sonne am Himmel steht, ist es hell und warm; in der Nacht ist es kalt und dunkel. Trotzdem haben die Menschen überraschend lange gebraucht, um die wahre Natur der Sonne zu verstehen. Früher war die Sache noch vergleichsweise einfach. Der Himmel war der Ort, an dem sich die Götter tummelten. Und die hellen Lichter, die man dort sehen konnte, waren Botschafter der Götter oder wurden oft sogar selbst vergöttert. Die Sonne, als hellstes und für die Menschen wichtigstes Himmelsobjekt, symbolisierte deswegen wenig überraschend in fast allen Kulturen eine der wichtigsten Gottheiten. Bei den alten Griechen war es Helios, bei den Römern Sol oder Apollo, bei den Ägyptern Ra und Aton, bei den Persern hieß der Sonnengott Mithras und bei den Japanern Amaterasu. Jede Kultur hatte einen oder mehrere Sonnengötter. Und weil die Götter die Menschen geschaffen hatten und sich um sie kümmerten, war es nur natürlich, dass sie auch für Licht und Wärme sorgten.
Irgendwann reichte den Menschen diese simple „Erklärung“ aber nicht mehr. Als die moderne Wissenschaft vorvielen Tausend Jahren im antiken Griechenland ihre ersten vorsichtigen Schritte machte, waren ihre Protagonisten Menschen, die sich nicht mehr mit den religiösen Dogmen zufriedengeben, sondern wissen wollten: z.B., was die Sonne wirklich ist. Einer davon war Anaxagoras, ein Philosoph und Schulleiter, der im Jahr 499 v. Chr. im heutigen Kleinasien geboren wurde. Er war der Erste, der probierte, die Vorgänge am Himmel mit dem zu erklären, was wir von der Erde her kennen. Wenn die Sonne Licht und Wärme abgab, dann nicht, weil sie irgendein Gott war. Sondern weil dort ein Feuer brannte, ein Vorgang, von dem auch damals bestens bekannt war, dass er Licht und Wärme erzeugt. Wozu also einen Gott als Erklärung für etwas heranziehen, das man problemlos mit schon längst bekannten Phänomenen erklären kann? Für Anaxagoras war die Sonne kein Gott, sondern ein riesiger, glühender Steinbrocken.
Natürlich gab es Probleme mit der Erklärung von Anaxagoras. Mehrere Probleme sogar. Das für ihn dringendste war vermutlich die Anklage wegen Gottlosigkeit mitsamt einer Verurteilung zum Tode, die ihm seine Theorie mit dem glühenden Stein einbrachte. Heute können wir locker in der Bar sitzen und darüber nachdenken, wie
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