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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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wenn der Kommandant nicht zu Hause ist. Nein, ich muss einen Weg finden, in die Wohnung einzudringen, ohne dass jemand davon erfährt. Auf einmal fällt mir der Schlüssel ein. Irgendwo in seinem Büro befindet sich ein Ersatzschlüssel für die Wohnung. Ich habe einmal gesehen, wie Diedrichsen einem Boten den Schlüssel mitgab, damit der dem Kommandanten wichtige Dokumente auf den heimischen Schreibtisch legte. Ich muss diesen Schlüssel unbedingt finden.
    Ich steige aus dem Bus aus und gehe die Dorfstraße entlang, während ich weiter an meinem Plan feile. Ich werde früh im Büro sein und den Schlüssel an mich nehmen, noch bevor Malgorzata eintrifft. In der Mittagspause werde ich mich dann zu seiner Wohnung begeben. Diedrichsen begleitet den Kommandanten nach Warszawa, sodass er das Fehlen des Schlüssels nicht bemerken kann. Am Gartentor bleibe ich kurz stehen. Ich fühle mich wie erschlagen von der Tragweite dessen, was ich plane. Diesmal werde ich nicht bloß nachts durch die Wohnung des Kommandanten schleichen, sondern am helllichten Tag dort einbrechen. Wenn ich erwischt oder auch nur beobachtet werde … mir schaudert. Doch mir bleibt keine andere Wahl.
    Am nächsten Morgen bin ich um viertel vor acht im Büro. Ich habe meine Ankunft so geplant, dass ich auf jeden Fall vor Malgorzata eintreffe, aber wiederum nicht so früh, dass die Wachen am Tor misstrauisch werden könnten. Die Flure sind noch so gut wie menschenleer, nur ein paar Offiziere sind unterwegs, die von mir jedoch keinerlei Notiz nehmen. Ich öffne die Tür zum Empfangsbereich unseres Büros, dann die zum Vorzimmer. Am Schreibtisch bleibe ich kurz stehen, um meine Tasche abzulegen und nach ein paar Unterlagen zu greifen, damit es so aussieht, als hätte ich einen Grund, mich im Büro des Kommandanten aufzuhalten. Ich eile in sein Zimmer und begebe mich direkt zum Schreibtisch, wo ich die oberste Schublade aufziehe und zwischen den Büroutensilien nach dem Schlüssel suche. Ich kann ihn aber nicht finden und gerate in Panik. Ich suche weiter hinten in der Schublade, und dann auf einmal umfassen meine Finger etwas Metallenes. Mit einem erleichterten Seufzer ziehe ich den Schlüssel hervor.
    Plötzlich höre ich, wie die Tür zwischen dem Empfangsbereich und meinem Zimmer knarrt, und zucke reflexartig zusammen. Malgorzata ist eingetroffen, was ich an ihren schweren, schleppenden Schritten erkenne. Sofort schließe ich die Schublade und verstecke den Schlüssel in dem Papierstapel, im gleichen Moment geht die Tür zum Büro auf. “Oh, Anna, Sie sind’s”, sagt Malgorzata unüberhörbar enttäuscht.
    “Wen haben Sie denn erwartet?” Als sie darauf nichts erwidert, trage ich mein Alibi vor, das ich mir für diese Situation zurechtgelegt habe. “Ich dachte mir, ich fange heute etwas früher an, wo der Kommandant nicht in der Stadt ist. Es gibt einiges an Korrespondenz zu erledigen, und über Mittag will ich noch ein paar Besorgungen machen.”
    “Aha, gut”, erwidert sie in sachlichem Tonfall. “Kommen Sie, ich helfe Ihnen dabei.” Sie macht einen Schritt auf mich zu und zeigt auf den Stoß Papiere, die ich im Arm halte.
    “N-nein, vielen Dank”, stammele ich und drücke die Papiere fester an mich. Ich kann mir allzu lebhaft vorstellen, wie sie versucht, den Stoß an sich zu nehmen und wir beide zusehen, wie der Schlüssel zu Boden fällt. “Der Kommandant bat mich, diese Post persönlich zu erledigen.” Ich sehe, wie sie auf meine Behauptung hin eine enttäuschte Miene macht. Augenblicklich regen sich bei mir Schuldgefühle. Malgorzata weiß auch so, dass sie in den Augen des Kommandanten nichts weiter ist als eine kleine Sekretärin, die er nicht ins Vertrauen zieht. “Es wäre allerdings schön, wenn Sie heute einen Teil der Ablage übernehmen könnten”, biete ich sogleich an.
    “Ja, gern.” Sie lächelt und strafft die Schultern. Als sie das Büro verlässt, kommt mir nicht zum ersten Mal der Gedanke, dass sie nur das Gefühl haben will, gebraucht zu werden.
    Um Mittag nehme ich meine Handtasche und verlasse das Büro. “Ich bin jetzt für einige Besorgungen weg”, erkläre ich Malgorzata freundlich.
    Sie nickt. “Ich halte die Stellung und gehe erst in die Pause, wenn Sie zurück sind. Es könnte ja sein, dass der Kommandant oder Oberst Diedrichsen aus Warszawa anrufen.”
    “Eine gute Idee.” Ich wusste, sie würde das vorschlagen. Ich vermute, sie träumt davon, dass der Kommandant in einer wichtigen Angelegenheit

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