Der kommende Aufstand
neigenden Ableger. Die planetare Hyper-Bourgeoisie würde es
nicht schaffen, ihren Lebensstandard als respektabel
hinzustellen, wenn nicht ihre letzten Launen gewissenhaft »auf
die Umwelt Rücksicht nehmen« würden. Nichts hätte ohne die
Ökologie noch genügend Autorität, um jeden Widerspruch gegen das
übermäßige Fortschreiten der Kontrolle zum Schweigen zu
bringen.
Rückverfolgbarkeit, Transparenz, Zertifizierung, Öko-Steuern,
Umweltqualitätsauszeichnung, Wasserpolizei lassen auf den sich
ankündigenden ökologischen Ausnahmezustand schließen. Für eine
Macht, die sich auf Natur, Gesundheit und Wohlbefinden beruft,
ist alles erlaubt.
»Wenn die neue Kultur der Ökonomie und des Verhaltens erst
einmal in die Sitten eingegangen ist, werden die
Zwangsmaßnahmen ohne Zweifel von selber wegfallen.« Es
bedarf der ganzen lächerlichen Dreistigkeit eines
Fernsehstudio-Abenteurers, um eine so eiskalte Sichtweise zu
unterstützen und uns gleichzeitig dazu aufzurufen, dass wir den
»Schmerz unseres Planeten« wahrnehmen sollen, um uns zu
mobilisieren, aber anästhesiert genug bleiben sollen, um all dem
mit Zurückhaltung und Anstand zuzuschauen. Die neue Bio-Askese
ist die Selbstkontrolle, die von allen verlangtwird, um die Rettungsaktion auszuhandeln, in
die sich das System selbst getrieben hat. Man wird nunmehr im
Namen der Ökologie den Gürtel enger schnallen müssen – wie
gestern im Namen der Ökonomie. Die Straße könnte sich natürlich
in Radwege verwandeln, wir könnten in unseren Breiten vielleicht
sogar eines Tages mit einem garantierten Grundeinkommen belohnt
werden, aber nur zu dem Preis einer vollkommen therapeutischen
Existenz. Diejenigen, die behaupten, dass die verallgemeinerte
Selbstkontrolle uns ersparen wird, eine Umweltdiktatur ertragen
zu müssen, lügen: Die eine wird der anderen den Weg bereiten,
und wir werden beide kriegen.
Solange es Den Menschen und Die Umwelt geben wird, wird die
Polizei zwischen ihnen sein.
In den Reden der Ökologen ist alles
umzukehren. Da, wo sie von »Katastrophen« sprechen, um die
Ausrutscher des herrschenden Systems bei der Verwaltung der
Wesen und Dinge zu bezeichnen, sehen wir nur die Katastrophe
seines so perfekten Funktionierens. Die größte bis jetzt
bekannte Hungersnot in der tropischen Zone (1876–1879) traf mit
einer weltweiten Trockenzeit zusammen, aber vor allem mit dem
Höhepunkt der Kolonisierung. Die Zerstörung der bäuerlichen
Welten und ihrer Subsistenzwirtschaft hatte die Mittel
verschwinden lassen, der Not zu trotzen. Mehr als der
Wassermangel sind es die Auswirkungen der sich massiv
ausbreitenden Kolonialökonomie, die die gesamten Tropen mit
Millionen von ausgemergelten Kadavern bedeckt hat. Das, was sich
überall als ökologische Katastrophe darstellt, war immer und ist
noch vor allem der Ausdruck einer verheerenden Beziehung zur
Welt. Nichts zu bewohnen, macht uns verletzbar beim kleinsten
Stoß des Systems, beim kleinsten klimatischen Risiko. Während
die Touristen beim Nahen desletzten Tsunamis
weiter in den Wellen herumtollten, hasteten die Jäger und
Sammler der Inseln den Vögeln hinterher und flohen von den
Küsten. Das gegenwärtige Paradox der Ökologie besteht darin,
dass sie unter dem Vorwand, die Erde zu retten, nur das
Fundament dessen rettet, was sie zu diesem trostlosen Gestirn
gemacht hat.
Die Regelmäßigkeit des globalen Funktionierens überdeckt in
normalen Zeiten unseren an sich katastrophalen Zustand der
Enteignung. Was man »Katastrophe« nennt, ist nur die
Zwangsunterbrechung dieses Zustandes, einer dieser seltenen
Momente, in denen wir ein wenig Präsenz auf der Welt
zurückgewinnen. Soll man doch früher als vorhergesehen die
Ölreserven aufbrauchen, sollen die internationalen Ströme, die
das Tempo der Metropole aufrechterhalten, doch unterbrochen
werden, soll man doch auf große soziale Störungen zusteuern,
sollen die »Verwilderung der Populationen«, die »planetarische
Bedrohung«, das »Ende der Zivilisation« doch kommen! Jeder
Kontrollverlust ist allen Szenarios des Krisenmanagements
vorzuziehen. Die besten Ratschläge sind folglich nicht bei den
Spezialisten für nachhaltige Entwicklung zu suchen. In den
Funktionsstörungen, den Kurzschlüssen des Systems, tauchen
Elemente von Antworten auf Probleme auf, die bald keine mehr
sein könnten. Von den
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