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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unsichtbares Komitee
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Sonderoperationen,
     seit fünf Jahren an. Die Parallele endet hier: beim
     Anschein. Die Zivilisation ist nicht mehr diese
     Selbstverständlichkeit, die man ohne irgendeine Form von Prozess
     zu den Eingeborenen bringt. Die Freiheit ist nicht mehr dieser
     Name, den man auf die Mauern schreibt, da ihm nunmehr der der
     »Sicherheit« folgt wie ein Schatten. Und die Demokratie ist, wie
     allgemein bekannt, in den reinsten Ausnahmegesetzgebungen
     auflösbar – zum Beispiel in der offiziellen Wiedereinführung der
     Folter in den Vereinigten Staaten oder dem zweiten
     Perben-Gesetz 18 in
     Frankreich.
    Innerhalb eines Jahrhunderts sind Freiheit, Demokratie und
     Zivilisation auf den Zustand von Hypothesen reduziert
     worden. Die ganze Arbeit der Herrschenden besteht von nun an
     darin, die materiellen und moralischen, symbolischen und
     sozialen Bedingungen zu schaffen, in denen diese Hypothesen
     halbwegs anerkannt sind, und Räume zu gestalten, in
     denensie zu funktionieren scheinen. Zu diesem
     Zweck sind alle Mittel recht – einschließlich der am wenigsten
     demokratischen, am wenigsten zivilisierten, am meisten
     sicherheitsbezogenen. Ein Jahrhundert lang hat die Demokratie
     regelmäßig bei der Hervorbringung faschistischer Regime den
     Vorsitz geführt, hat sich Zivilisation immer auf Extermination
     gereimt, die von Melodien Wagners oder Iron Maidens untermalt
     wurde, und die Freiheit hat eines Tages im Jahre 1929 das
     Doppelgesicht eines Bankiers, der aus dem Fenster springt, und
     einer Arbeiterfamilie, die verhungert, angenommen. Man hat
     seitdem – sagen wir seit 1945 – vereinbart, dass die
     Manipulation der Massen, die Tätigkeit der Geheimdienste, die
     Einschränkung der öffentlichen Freiheiten und die vollkommene
     Souveränität der verschiedenen Polizeieinheiten zu den
     spezifischen Mitteln gehörten, um Demokratie, Freiheit und
     Zivilisation zu gewährleisten. Im letzten Stadium dieser
     Entwicklung haben wir den sozialistischen Bürgermeister von
     Paris, der letzte Hand an die urbane Befriedung legt, an den
     polizeilichen Umbau eines Arbeiterviertels, und in sorgfältig
     abgewogenen Worten erklärt: »Hier wird ein zivilisierter Raum
     gebaut.« Daran ist nichts zu beanstanden, aber alles zu
     zerstören.
     
    Hinter ihrem Gebaren der Allgemeingültigkeit
     hat diese Frage nach der Zivilisation nichts von einer
     philosophischen Frage. Eine Zivilisation ist keine Abstraktion,
     die über dem Leben schwebt. Sie ist das, was die alltäglichste,
     die persönlichste Existenz bestimmt, besetzt, kolonisiert. Sie
     ist das, was die intimste und die allgemeinste Dimension
     zusammenhält. In Frankreich ist die Zivilisation untrennbar vom
     Staat. Je stärker und älter ein Staat ist, desto weniger ist er
     ein Überbau, das Exoskelett einer Gesellschaft, und desto mehr
     formt er in Wirklichkeit die Subjektivitäten, die ihnbevölkern. Der französische Staat ist das
     Gerüst der französischen Subjektivitäten, er ist das
     Erscheinungsbild der jahrhundertealten Kastration seiner
     Subjekte. Danach darf man sich nicht wundern, dass man hier so
     häufig von politischen Persönlichkeiten ausgeht, wenn man in den
     psychiatrischen Kliniken die Welt deliriert, dass man sich einig
     ist, in unseren Führern den Ursprung all unserer Übel zu sehen,
     dass wir so gerne über sie meckern, und dass diese Art zu
     meckern der Beifall ist, durch den wir sie als unsere Herren
     inthronisieren. Denn hier kümmert man sich nicht um Politik wie
     um eine fremde Realität, sondern wie um einen Teil seiner
     selbst. Das Leben, das wir diesen Figuren verleihen, ist genau
     das, das uns entrissen wurde.
    Wenn es eine französische Ausnahme gibt, kommt sie daher. Bis
     hin zum weltweiten Glanz der französischen Literatur gibt es
     nichts, was nicht die Folge dieser Amputation wäre. Literatur
     ist in Frankreich der Raum, den man für die Unterhaltung der
     Kastrierten souverän bewilligt hat. Sie ist die formale
     Freiheit, die man denjenigen zugestanden hat, die sich an das
     Nichts ihrer wirklichen Freiheit nicht gewöhnen. Daher kommt das
     obszöne Augenzwinkern, das Staatsmänner und Schriftsteller in
     diesem Land seit Jahrhunderten ohne Unterlass austauschen, wobei
     die einen gern die Kostüme der anderen ausleihen und
     umgekehrt. Daher auch die Angewohnheit der Intellektuellen, so
     hochtrabend zu reden, wenn sie so tief unten sind, und immer im
     entscheidenden Moment zu versagen, dem

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