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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unsichtbares Komitee
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einzigen, der ihrer
     Existenz wieder einen Sinn gegeben hätte, der sie aber auch aus
     dem Kreis ihres Berufsstandes ausgeschlossen hätte.
    Die These, dass die moderne Literatur mit Baudelaire, Heine
     und Flaubert als Gegenschlag zum Staatsmassaker vom Juni 1848
     entstanden ist, wird vertreten und ist
     vertretbar.Im Blut der Pariser Aufständischen
     und gegen die Stille, die das Gemetzel umgibt, entstehen die
     modernen literarischen Formen – Schwermut, Ambivalenz,
     Fetischismus der Form und morbide Gleichgültigkeit. Die
     neurotische Zuneigung, die die Franzosen ihrer Republik
     entgegenbringen – in deren Namen jeder Übergriff eine Würde
     verliehen bekommt und jede Niedertracht ihren Adelsbrief erhält
     –, verlängert ständig die Verdrängung der Gründungsopfer. Die
     Tage im Juni 1848 – 1500 Tote während der Kämpfe, aber mehrere
     tausend standrechtliche Hinrichtungen von Gefangenen, die
     Nationalversammlung empfängt die Kapitulation der letzten
     Barrikade mit dem Ruf »Es lebe die Republik!« – und die Blutige
     Maiwoche 19 sind
     Muttermale, die keine chirurgische Kunst zu entfernen
     vermag.
     
    Kojève schrieb 1945: »Das ›offizielle‹
     politische Ideal Frankreichs und der Franzosen ist heute noch
     das des Nationalstaates, der ›einen und unteilbaren
     Republik‹. Andererseits erkennt das Land in den Tiefen seiner
     Seele die Unzulänglichkeit dieses Ideals, den politischen
     Anachronismus der strikt ›nationalen Idee‹. Gewiss, dieses
     Gefühl hat noch nicht das Niveau einer klaren und deutlichen
     Idee erreicht: Das Land kann es noch nicht und will es noch
     nicht offen formulieren. Im Übrigen ist es gerade aufgrund des
     herausragenden Glanzes seiner nationalen Vergangenheit
     für Frankreich besonders schwierig, die Tatsache des Endes der
     ›nationalen‹ Periode der Geschichte klar anzuerkennen und
     ehrlich zu akzeptieren und daraus alle Konsequenzen zu
     ziehen. Für ein Land, welches das ideologische Gerüst des
     Nationalismus selbst konstruiert und in die ganze Welt
     exportiert hat, ist es schwer zuzugeben, dass es sich dabei
     nunmehrnur noch um ein Objekt handelt, das in
     die historischen Archive einzuordnen ist.«
    Die Frage des Nationalstaates und seiner Staatstrauer bildet
     den Kern dessen, was man wohl seit einem halben
     Jahrhundert das französische Unbehagen nennen
     muss. »Demokratischer Wechsel« nennt man höflich diesen
     krampfartigen Schwebezustand, dieses Pendeln von links nach
     rechts, und dann von rechts nach links, so wie die manische
     Phase der depressiven Phase folgt und eine neue vorbereitet, so
     wie in Frankreich die eloquenteste Kritik des Individualismus
     mit dem erbittertsten Zynismus koexistiert, die größte
     Freigiebigkeit mit der panischen Angst vor Menschenmengen. Seit
     1945 hat dieses Unbehagen, das sich nur zu Gunsten des Mai ’68
     und seines aufständischen Feuers aufzulösen schien, immer weiter
     vertieft. Die Ära der Staaten, der Nationen und der Republiken
     geht wieder dem Ende zu; das Land, das ihnen alles, was es an
     Lebendigem enthielt, geopfert hat, ist sprachlos. An dem Brand,
     den der einfache Ausspruch von Jospin 20 , »Der Staat kann nicht alles«,
     gelegt hat, erahnt man, was früher oder später die Offenbarung
     hervorbringen wird, dass er gar nichts mehr kann. Dieses Gefühl,
     reingelegt worden zu sein, wächst immer weiter und wird
     brandig. Es begründet die latente Wut, die bei jeder Gelegenheit
     hochkommt. Dass das Trauern um die Ära der Nationen nicht
     stattgefunden hat, darin liegt der Schlüssel des französischen
     Anachronismus und der revolutionären Möglichkeiten, die er in
     Reserve hat.
    Was auch immer das Ergebnis der nächsten
     Präsidentschaftswahlen sein wird, ihre Funktion besteht darin,
     das Signal zum Ende der französischen Illusionen zu geben, die
     historische Blase platzen zu lassen, in der wir leben und die Ereignisse ermöglicht wie diese Bewegung
     gegen den CPE-Vertrag, die man im Ausland wie einen aus den 70er
     Jahren entkommenen schlechten Traum beobachtet. Deshalb will im
     Grunde eigentlich niemand diese Wahlen. Frankreich ist wirklich
     das Schluss licht der westlichen Welt.
     
    Der Westen heute, das ist ein GI, der an
     Bord eines Abraham-M1-Panzers auf Falludscha zurast und dabei in
     voller Lautstärke Hard Rock hört. Das ist ein in den Weiten der
     Mongolei verirrter, von allen verhöhnter Tourist, der sich an
     seine Kreditkarte wie an seinen

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