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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unsichtbares Komitee
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überleben.
    Vogelgrippe-Alarm: Man verspricht, die Zugvögel im Flug zu
     erschießen – hunderttausendfach.
    Der Quecksilbergehalt in der Muttermilch ist zehnmal höher
     als der in der Kuhmilch erlaubte. Und diese geschwollenen
     Lippen, wenn ich in den Apfel beiße – er kam doch vom Markt! Die
     einfachsten Gesten sind toxisch geworden. Man stirbt mit
     fünfunddreißig Jahren »an einer langen Krankheit«, die man
     managen wird, wie man den ganzen Rest gemanagt hat. Man hätte
     die Schlussfolgerungen ziehen sollen, bevor sie uns hierher, auf
     Station B der Palliativklinik, bringt.
    Man muss es zugeben: Diese ganze »Katastrophe«, von der man
     uns so lautstark erzählt, berührt uns nicht. Wenigstens nicht,
     bevor sie uns mit einer ihrer vorhersehbaren Folgen trifft. Sie
     betrifft uns vielleicht, aber sie berührt uns nicht. Und
     gerade das ist die Katastrophe.
    Es gibt keine Umweltkatastrophe. Es gibt diese
     Katastrophe, die die Umwelt ist . Die Umwelt ist das, was
     dem Menschenübrig bleibt, wenn er alles
     verloren hat. Diejenigen, die ein Viertel, eine Straße, ein Tal,
     einen Krieg, eine Werkstatt bewohnen, haben keine »Umwelt«, sie
     entwickeln sich in einer Welt, die von Gegenwarten und
     Gefahren, von Freunden und Feinden, von Lebenspunkten und
     Todespunkten, von allen möglichen Lebewesen bevölkert
     wird. Diese Welt hat ihre Konsistenz, die sich je nach
     Intensität und Qualität der Bindungen ändert, die uns mit all
     diesen Wesen, all diesen Orten verbinden. Nur wir, Kinder der
     endgültigen Enteignung, Exilanten der letzten Stunde – die in
     Betonklötzen zur Welt kommen, in Supermärkten Obst pflücken und
     im Fernsehen auf das Echo der Welt lauern –, bringen es
     fertig, eine Umwelt zu haben . Nur wir bringen es fertig,
     unserer eigenen Vernichtung so beizuwohnen, als ob es sich um
     eine einfache atmosphärische Veränderung handelte. Und uns über
     die letzten Fortschritte des Desasters zu empören und geduldig
     seine Enzyklopädie zu erstellen.
     
    Was als Umwelt erstarrt ist, das ist eine
     Beziehung zur Welt, die auf der Verwaltung aufbaut, das
     heißt auf der Fremdheit. Eine Beziehung zur Welt, so, als ob wir
     nicht genauso gut aus dem Rauschen der Bäume, den
     Bratengerüchen des Wohnhauses, dem Plätschern des Wassers, dem
     Stimmengewirr der Schulhöfe oder der Schwüle der Sommerabende
     gemacht sind, eine Beziehung zur Welt, so, als ob es mich gibt
     und meine Umwelt, die mich umgibt, ohne mich jemals zu
     konstituieren. Wir sind Nachbarn in einer planetarischen
     Miteigentümerversammlung geworden. Man kann sich kaum eine
     vollständigere Hölle vorstellen.
    Kein materielles Milieu hat je den Namen »Umwelt« verdient,
     außer vielleicht jetzt die Metropole. Digitalisierte Stimmen der
     Ansagen, die Straßenbahn mit einem Pfeifen nach Art des
     21. Jahrhunderts, bläuliches Licht vonStraßenlaternen in Form von riesigen
     Streichhölzern, als misslungene Modepuppen verkleidete
     Fußgänger, die stille Rotation einer Überwachungskamera, helles
     Klingeln der U-Bahn-Sperren, der Supermarktkassen, der
     Bürostechuhren, elektronische Atmosphäre von Internetcafés,
     verschwenderische Fülle von Plasmabildschirmen, Schnellstraßen
     und Latex. Nie kam ein Dekor so gut ohne die Seelen aus, die es
     durchqueren. Nie war ein Milieu automatischer . Nie war
     ein Kontext indifferenter und erforderte als Gegenleistung, um
     darin zu überleben, eine ebensolche Indifferenz. Die
     Umwelt , das ist letztlich nur das: die Beziehung zur Welt,
     wie sie der Metropole eigen ist, die sich auf alles projiziert,
     was ihr entgeht.
     
    Die Situation ist folgende: Man hat unsere
     Väter angestellt, um diese Welt zu zerstören, jetzt will man uns
     an ihrem Wiederaufbau arbeiten lassen, und dass dieser noch dazu
     rentabel sei. Die morbide Erregtheit, die nunmehr bei jedem
     neuen Beweis der Klimaerwärmung die Journalisten und Werbeleute
     belebt, enthüllt das stählerne Lächeln des neuen grünen
     Kapitalismus, der sich seit den 70er Jahren ankündigte, den man
     jeden Moment erwartete und der nicht kam. Nun also ist er da!
     Die Ökologie, das ist er! Die alternativen Lösungen, das ist er
     wieder! Die Rettung des Planeten, das ist er immer noch! Kein
     Zweifel mehr: Grün liegt in der Luft; die Umwelt wird zum Dreh-
     und Angelpunkt der politischen Ökonomie des 21. Jahrhunderts. Zu
     jedem Schub von Katastrophismus gehört nunmehr eine Ladung
     »industrieller

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