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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unsichtbares Komitee
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einzigen Rettungsanker
     klammert. Das ist ein Manager, der nur auf das Go-Spiel
     schwört. Das ist eine junge Frau, die ihr Glück in Klamotten,
     Typen und Feuchtigkeitscremes sucht. Das ist ein Schweizer
     Menschenrechts-Aktivist, der sich in alle Ecken und Enden der
     Welt begibt und mit allen Revolten solidarisch ist,
     vorausgesetzt, sie wurden niedergeschlagen. Das ist ein Spanier,
     dem die politische Freiheit scheißegal ist, seitdem man ihm die
     sexuelle Freiheit versprochen hat. Das ist ein Kunstliebhaber,
     der – und zwar als letzter Ausdruck des modernen Genies – der
     verblüfften Bewunderung ein Jahrhundert von Künstlern darbietet,
     die vom Surrealismus bis zum Wiener Aktionismus darum
     rivalisieren, wer der Zivilisation am besten ins Gesicht
     spuckt. Das ist schließlich ein Kybernetiker, der im Buddhismus
     eine realistische Theorie des Bewusstseins gefunden hat, und ein
     Teilchen-Physiker, der aus der hinduistischen Metaphysik die
     Inspiration für seine neuesten Entdeckungen geholt hat.
    Der Westen, das ist diese Zivilisation, die alle
     Prophezeiungen ihres Untergangs durch eine eigenartige List
     überlebt hat. So wie sich die Bourgeoisie als Klasse hat
     negieren müssen, um die Verbürgerlichung der Gesellschaft vom
     Arbeiterbis zum Baron zu ermöglichen; so wie
     das Kapital sich als Lohnverhältnis hat opfern müssen, um
     sich als soziales Verhältnis durchzusetzen und auf diese Weise
     genauso Kulturkapital und Gesundheitskapital wie Finanzkapital
     zu werden; so wie das Christentum sich als Religion hat opfern
     müssen, um sich als emotionale Struktur, als diffuse
     Aufforderung zur Demut, zum Mitgefühl und zur Impotenz zu
     überleben, so hat sich der Okzident als spezifische
     Zivilisation geopfert, um sich als universelle Kultur
     durchzusetzen . Die Operation lässt sich so zusammenfassen:
     Eine im Sterben liegende Einheit opfert sich als Inhalt, um als
     Form weiterzuleben.
    Das Individuum in Scherben rettet sich als Form dank der
     »spirituellen« Technologien des Coaching. Das Patriarchat, indem
     es die Frauen mit all den unangenehmen Attributen des Männlichen
     belädt: Wille, Selbstkontrolle, Gefühllosigkeit. Die
     desintegrierte Gesellschaft, indem sie eine Epidemie von
     Geselligkeit und Unterhaltung propagiert. So sind es all die
     großen, veralteten Fiktionen des Okzidents, die sich mit
     künstlichen, ihnen Punkt für Punkt widersprechenden Mitteln
     aufrechterhalten.
     
    Es gibt keinen »Kampf der Kulturen«. Was es
     gibt, ist eine Zivilisation im Zustand des klinischen Todes,
     über die man eine ganze Apparatur der lebenserhaltenden
     Maßnahmen ausbreitet und die in der planetarischen Atmosphäre
     einen charakteristischen Pestgestank verströmt. An diesem Punkt
     gibt es keinen einzigen ihrer »Werte« mehr, an den sie noch auf
     irgendeine Art zu glauben vermöchte, und jede Affirmation wirkt
     auf sie wie eine schamlose Tat, wie eine Provokation, die man
     besser zerlegen, dekonstruieren und in den Zustand des
     Zweifels zurückführen sollte. Der westliche Imperialismus heute,
     das ist der des Relativismus, des »Dasist
     deine Ansicht«, das ist der kleine Seitenblick oder der
     verletzte Protest gegen all das, was dumm genug, primitiv genug
     oder selbstgefällig genug ist, um noch an etwas zu glauben, um
     noch irgendetwas zu behaupten. Es ist dieser Dogmatismus der
     Infragestellung, der in der gesamten universitären und
     literarischen Intelligenzija komplizenhaft mit dem Auge
     zwinkert. Unter den postmodernistischen Geistesgrößen ist keine
     Kritik zu radikal, solange sie ein Nichts an Gewissheit
     umhüllt. Vor einem Jahrhundert verursachte jede ein wenig
     lärmmachende Negation einen Skandal, heute liegt er in jeder
     Affirmation, die nicht zittert.
     
    Keine gesellschaftliche Ordnung kann sich
     auf Dauer auf das Prinzip gründen, dass nichts wahr
     sei. Außerdem muss man es aufrechterhalten . Die heutige
     Anwendung des Konzepts der »Sicherheit« auf alles bringt das
     Vorhaben zum Ausdruck, in die Wesen selbst, in das Verhalten und
     in die Orte die ideale Ordnung zu integrieren, der sie sich
     nicht mehr bereitwillig unterwerfen. »Nichts ist wahr« sagt
     nichts über die Welt, aber alles über das abendländische Konzept
     von Wahrheit. Die Wahrheit wird hier nicht als Attribut der
     Wesen oder der Dinge begriffen, sondern als das ihrer
     Repräsentation. Für wahr gehalten wird eine Repräsentation, die
     mit der

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