Der kommende Aufstand
in der scheinbaren Information enthalten ist.
Es geht nicht mehr darum zu warten –
auf einen Lichtblick, die Revolution, die atomare Apokalypse
oder eine soziale Bewegung. Noch zu warten ist Wahnsinn. Die
Katastrophe ist nicht das, was kommt, sondern das, was da
ist. Wir befinden uns schon jetzt in der
Untergangsbewegung einer Zivilisation. Das ist der Punkt, an dem
man Partei ergreifen muss.
Nicht mehr warten heißt, auf diese oder jene
Weise in die aufständische Logik einzutreten. Es bedeutet, in
der Stimme unserer Regierenden wieder das leichte Zittern des
Entsetzens zu hören, das sie nie verlässt. Denn Regieren ist nie
etwas anderes gewesen, als durch tausend geschickte Täuschungen
den Moment hinauszuschieben, an dem die Menschenmenge einen
hängen wird, und jede Regierungshandlung nur eine Art, nicht die
Kontrolle über die Bevölkerung zu verlieren.
Von einem Punkt extremer Isolation, extremer
Ohnmacht brechen wir auf. An einem aufständischen Prozess ist
alles noch aufzubauen. Nichts scheint unwahrscheinlicher als ein
Aufstand, aber nichts
ist notwendiger .
SICH FINDEN
Sich an das binden, was man als wahr
empfindet.
Da anfangen.
Eine Begegnung, eine Entdeckung, eine breite
Streikbewegung, ein Erdbeben: Jedes Ereignis produziert
Wahrheit, indem es unsere Art, auf der Welt zu sein,
verändert. Eine Feststellung hingegen, die uns gleichgültig ist,
die uns unverändert lässt, die uns zu nichts verpflichtet,
verdient den Namen Wahrheit noch nicht. Hinter jeder Geste,
jeder Praxis, jeder Beziehung, jeder Situation gibt es eine
Wahrheit. Das Übliche ist zu verwalten, die Wahrheit zu umgehen,
was die charakteristische geistige Verwirrung der meisten
Menschen in dieser Epoche produziert. In Wirklichkeit
verpflichtet alles zu allem. Das Gefühl, in der Lüge zu leben,
ist wieder eine Wahrheit. Es geht darum, es nicht loszulassen,
sogar da anzufangen. Eine Wahrheit ist keine Ansicht über die
Welt, sondern das, was uns mit ihr auf unreduzierbare Weise
verbunden hält. Eine Wahrheit ist nicht etwas, das man besitzt,
sondern etwas, das einen trägt. Sie setzt mich zusammen und
nimmt mich wieder auseinander, sie bildet mich als Individuum
und löst mich wieder auf, sie entfernt mich von vielen und
verbindet mich mit denen, die sie empfinden. Das isolierte
Wesen, das an ihr festhält, begegnet zwangsläufig einigen
seinesgleichen. Tatsächlich beginnt jeder aufständische Prozess
mit einer Wahrheit, die man nicht aufgibt. Man hat in Hamburg,
im Laufe der 80er Jahre,gesehen, wie eine
Handvoll Bewohner besetzter Häuser entscheidet, dass man von nun
an über ihre Leichen gehen müsse, um sie zur Räumung zu
zwingen. Es gab ein von Panzern und Hubschraubern belagertes
Stadtviertel, tagelange Straßenkämpfe, Riesendemonstrationen –
und eine Stadtverwaltung, die schließlich kapitulierte. Georges
Guingouin, der »erste Maquisard Frankreichs«, hatte 1940 als
Ausgangspunkt nur die Gewissheit seiner Verweigerung der
Besatzung. Er war damals für die Kommunistische Partei nur ein
»Verrückter, der in den Wäldern lebt«; bis sie dann 20 000
Verrückte waren, die in den Wäldern lebten und die Limoges
befreiten.
Nicht vor dem zurückweichen, was jede
Freundschaft an Politischem mit sich bringt.
Man hat uns eine neutrale Vorstellung der
Freundschaft als einer reinen Zuneigung ohne Konsequenz
eingegeben. Aber jede Affinität ist Affinität in einer
gemeinsamen Wahrheit. Jede Begegnung ist
Begegnung in einer gemeinsamen Affirmation, und sei es
die der Zerstörung. Man verbindet sich nicht unschuldig in einer
Zeit, in der an etwas festzuhalten und sich nicht davon
abbringen zu lassen regelmäßig zur Arbeitslosigkeit führt, in
der man lügen muss, um zu arbeiten, und anschließend arbeiten,
um sich die Mittel der Lüge zu bewahren. Wesen, die von der
Quantenphysik ausgehen und schwören, daraus auf allen Gebieten
alle Konsequenzen zu ziehen, würden sich nicht auf eine weniger
politische Weise verbinden als Genossen, die einen Kampf gegen
einen multinationalen Konzern des Lebensmittelsektors
führen. Sie würden früher oder später abtrünnig und zum Kämpfen
gebracht werden.
Die Initiatoren der Arbeiterbewegung hatten die Werkstattund dann die Fabrik, um sich zu finden. Sie
hatten den Streik, um sich zu zählen und die Gelben
Gewerkschaften zu
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