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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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ich dich geweckt?«
    »Ganz und gar nicht«, antwortete Van Veeteren routiniert und suchte nach seiner Armbanduhr auf dem Nachttisch.
    »Es ist halb zwölf«, informierte Kluuge ihn. »Ich dachte, wir sollten langsam in Gang kommen, ich habe die anderen für zwei Uhr bestellt ... zu einer kleinen Besprechung, meine ich.«
    Die anderen? dachte Van Veeteren, aber dann erinnerte er sich langsam wieder an die Geschehnisse der Nacht und ihre Akteure. Eine hastige Subtraktion gab ihm außerdem die Gewissheit, dass er höchstens vier Stunden geschlafen haben konnte. Wie Kluuge es schaffte, so verdammt frisch und erholt zu klingen, war ihm ein Rätsel. Dass das etwas mit dem Alter und der allgemeinen Kondition zu tun haben könnte, darüber wollte er lieber gar nicht erst nachdenken. Zumindest nicht jetzt. Er räusperte sich noch einmal.

    »Das ist gut«, sagte er.
    »Dann also auf dem Polizeirevier«, fuhr Kluuge fort. »Da ist noch eine Sache ... die würde ich gern vorher mit dem Hauptkommissar besprechen.«
    »Ja?«, fragte Van Veeteren.
    Ein paar Sekunden lang blieb der Hörer stumm.
    »Ich weiß nicht so recht, wie ich es sagen soll, aber es geht um die Verantwortung und so ...«
    »Die Verantwortung?«
    »Ja, ich meine, wer die Ermittlungen leiten soll ... es ist ja klar, dass du die meiste Erfahrung und so hast, aber ich habe mir überlegt, trotzdem vorzuschlagen, dass ich das übernehmen soll. Schließlich bin ich der stellvertretende Polizeichef, und es fällt in mein Gebiet, sozusagen ...«
    Ausgezeichnet, dachte der Hauptkommissar. Nur weiter so, junger Mann!
    »Deshalb – wenn der Hauptkommissar nichts dagegen hat?«
    »Natürlich nicht«, sagte Van Veeteren.
    »Und ich denke, es wäre doch zu schade, Malijsen mitten in seinem Urlaub zu stören.«
    »Der Meinung bin ich auch«, sagte der Hauptkommissar.
    Hundertprozentig, dachte er.
    »Aber ich bin natürlich dankbar, wenn der Hauptkommissar hier bleibt und mir hilft ... mit deiner Erfahrung und allem.«
    »Selbstverständlich«, sagte Van Veeteren. »Wir brauchen nicht weiter darüber zu reden. Wann hast du gesagt, zwei Uhr?«
    »Um zwei«, bestätigte Kluuge. »Außerdem habe ich eine Pressekonferenz um halb fünf angesetzt. Ich wäre dankbar, wenn der Hauptkommissar auch daran teilnehmen könnte.«
    »Wir werden sehen«, sagte Van Veeteren. »Und im Laufe des Vormittags ist nichts Wesentliches passiert?«
    »Nicht viel«, erklärte Kluuge. »Die Frauen sind wie geplant im Wolgershuus getrennt voneinander untergebracht, und die Kinder sind noch draußen in Waldingen. Die Beamtinnen sind abgelöst worden, und gegen eins werden zwei Psychologinnen hinfahren.«

    »Und niemand hat etwas gesagt?«
    »Nein. Bis jetzt schweigen sie. Wir sollten uns vielleicht darauf verständigen, wie wir die Verhöre weiter führen wollen. Oder was meint der Hauptkommissar? Es scheint ja ziemlich verzwickt ...«
    »O ja«, seufzte Van Veeteren. »Aber hoffen wir, dass es nur eine Frage der Zeit ist.«
    »Mag sein«, sagte Kluuge. »Wahrscheinlich wird es einfacher sein, ein Teenagermädchen zu knacken als eines dieser verrückten Weiber.«
    »Sei vorsichtig mit deinen Worten«, warnte ihn der Hauptkommissar. »Auf jeden Fall solltest du gegenüber den Journalisten auf der Hut sein. Sie zitieren nur zu gern. Schweigen kann manchmal Gold sein, nicht nur für Sektierer.«
    »Okay«, sagte Kluuge. »Ich werde es mir merken. Dann sehen wir uns also in ein paar Stunden.«
    »Das tun wir«, sagte Van Veeteren.
    »Danke«, sagte Kluuge noch einmal.
    Verrückte Weiber? dachte der Hauptkommissar, als er aufgelegt hatte.
    Es gefiel ihm nicht. Aber ob es die Tatsache an sich war oder die Wortwahl des Polizeianwärters, die ihm nicht behagte, wusste er selbst nicht so genau.
     
    Das Gewitter kam von Südwesten, aus Richtung Waldingen, und während er sein kombiniertes Frühstück-Mittagessen draußen auf der Terrasse zu sich nahm, konnte er beobachten, wie es schnell über dem Waldrand auf der anderen Seeseite anwuchs. Die Blitze und das Donnern waren schon eine Weile zu beobachten, bevor die ersten schweren Tropfen auf dem gewellten Plastikdach landeten und die Temperatur mit einem Schlag um gut und gern zehn Grad sank.
    Der Wolkenbruch währte dann nur knapp fünfzehn Minuten, aber auf seinem Höhepunkt schien es Van Veeteren, als hätte sich der vorher so verführerisch ruhige Wasserspiegel unterhalb des Hotels in einen Hexenkessel verwandelt, und
das gegenüberliegende Seeufer

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