Der Kommissar und das Schweigen - Roman
der Mann. »Die ganze Nacht? Na, wir waren natürlich zu Hause. Wie immer ...«
»Und Sie hatten auch keinen Besuch?«
Kuijpers schüttelte den Kopf und schaute zu seiner Ehefrau.
»Nein«, bestätigte die Frau. »Wir waren allein.«
»Können Sie sich daran erinnern, ob Sie vielleicht in der Nacht ein Auto haben vorbeifahren hören?«
»Nein«, sagte der Mann. »Der vorige Bulle hat das Gleiche gefragt, aber wir haben nichts gehört. Schließlich haben wir ja geschlafen ...«
»Aber es kommen sicher nicht besonders viele Autos hier vorbei?«, fragte Suijderbeck und schaute sich nach einer Möglichkeit um, seine Zigarette auszudrücken. Schließlich entschied er sich für eine ausgetrocknete Topfpflanze, die direkt neben seinem Holzbein stand.
»Zwei, drei in der Woche«, sagte der Mann und zeigte seine Zähne. Offensichtlich sollte das ein Lächeln sein.
»Und sonst nichts, was Ihnen zu dieser Nacht einfällt?«
»Nicht einen Pups«, sagte der Mann.
»Haben Sie Kinder?«
»Was?«, fragte der Mann.
»Wir haben eine Tochter«, erklärte die Frau. »Sie heißt Ewa, und sie ist von zu Hause ausgezogen vor ... Wie lange ist das jetzt schon her?«
»Vier Jahre«, sagte der Mann. »Sie ist jetzt vierundzwanzig. War zwanzig, als sie abgehauen ist.«
»Mit einem Ausländer«, präzisierte die Frau.
»Ich bin nicht ihr richtiger Vater«, fügte Kuijpers hinzu.
Suijderbeck machte sich Notizen.
»Jaha«, sagte er und dachte eine Weile nach. »Gibt’s noch irgendetwas, von dem Sie glauben, es könnte uns weiterhelfen?«
Kuijpers runzelte die Stirn, und seine Frau zog nachdenklich an ihrem Nasenring.
»Nein ... nein, ich wüsste nichts.«
»Was arbeiten Sie?«
»Bin krankgeschrieben«, sagte der Mann und fasste sich an den Rücken.
»Keramik«, sagte die Frau. »Ich habe eine kleine Werkstatt. Und ich male auch.«
Suijderbeck nickte und steckte den Block ein. Blinzelte zum Himmel.
»Ganz schön heiß«, sagte er. »Muss schön sein, es so nah zum See zu haben. Ich nehme an, Sie haben auch ein Boot?«
»Ja, natürlich«, sagte der Mann. »Angel auch ein bisschen, aber früher brachte es mehr. Jetzt gibt’s zu viele Abwässer und Dreck ...«
»Es gibt wirklich zu viel Dreck heutzutage«, bestätigte Suijderbeck. »Nun will ich Sie aber nicht länger stören.«
Er stand auf.
»Jedenfalls vielen Dank«, sagte er. »Weswegen haben Sie eigentlich gesessen?«
»Bankraub«, sagte der Mann und zupfte sich am Bart. »Aber ich bin damit fertig. Ab jetzt gibt’s nur noch saubere Geschäfte.«
»Das hoffe ich«, sagte Suijderbeck. »Vielleicht komme ich sonst wieder.«
»Hehe«, lachte der Mann, aber auch diesmal blieb das Lächeln nicht haften.
»Vielen Dank für Ihren Besuch«, sagte die Frau.
»Adieu«, sagte Suijderbeck.
Sobald er auf dem Hof war, verschwanden die Hunde unter einem Wellblechdach auf der Stirnseite des Hauses. Memmen, dachte Suijderbeck. Wie der Herr, so’s Gescherr.
Er konnte nicht behaupten, dass dies eine äußerst sinnvoll verbrachte Nachmittagsstunde gewesen war.
Wobei sie jedoch ausgezeichnet in diese verfluchte Geschichte passte, das war nicht zu leugnen. Ganz ausgezeichnet.
»Von wo aus rufen Sie an?«, fragte Kluuge.
»Aus Stamberg«, sagte der Mann. »Das habe ich doch schon gesagt.«
»Ja, ja«, sagte Kluuge und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Und was möchten Sie?«
»Das habe ich doch schon dem Mädchen in der Zentrale gesagt.«
»Aber jetzt reden Sie mit mir. Sagen Sie es bitte noch einmal.«
»In Ordnung«, sagte der Mann. »Ich heiße Tomasz Wack, und ich glaube, ich kann Ihnen helfen.«
»Wobei?«
Er notierte sich den Namen.
»Na, bei dem Mord natürlich. Dem Waldingenmord. Sie sind es doch, der dafür zuständig ist, oder muss ich das gleich alles noch jemandem erzählen?«
»Nein, nein, bei mir sind Sie richtig«, erklärte Kluuge.
»Gut. Es ist also so ...« Kluuge konnte fast hören, wie der andere sich aufrecht hinsetzte und Anlauf nahm. »... Ich glaube, ich weiß, was da passiert ist, es ist nämlich so, dass ich ...«
Es wurde still.
»Ja?«, fragte Kluuge nach.
»Glauben Sie an die Vorsehung, Herr Kommissar?«
»Ich bin noch kein Kommissar ... aber ist ja auch egal. Was meinen Sie mit Vorsehung?«
»Wissen Sie nicht, was die Vorsehung ist? Na, die, die herrscht und bestimmt. Die alles richtet und auf die wir uns vollkommen blind verlassen können, ganz gleich, was ...«
»Ich verstehe«, sagte Kluuge. »Aber
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