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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Einige baden unten am See, einige lesen – drinnen oder draußen, und natürlich nur diese blassen Traktate, die vor Ort zu kriegen sind. Heiligengeschichten, Gemeindeblätter und all so ein Schund – einige wandern im Wald, und vier gehen zu einer Stelle, die sie den Badefelsen nennen. Zwei davon sind identisch mit den Mädchen, mit denen ich ein paar Stunden vorher geredet habe – Belle Moulder und Clarissa Heerenmacht. Alle vier baden und sind eine Weile zusammen, aber um etwa kurz vor halb sechs gehen die anderen beiden allein zurück zum Ferienlager. . . es handelt sich da um knapp vierhundert Meter, mehr nicht. Zurück bleiben Belle und Clarissa, vierzehn beziehungsweise zwölf Jahre alt.«
    Er machte eine kurze Pause, während sein Gastgeber keine Miene verzog.
    »Eine halbe Stunde später sitzt das ältere Mädchen im Speisesaal und spricht sein Tischgebet ... das jüngere ... Clarissa. . . tja, sie ist wahrscheinlich noch am Leben, hat aber wohl bereits ihren Mörder getroffen. Auf jeden Fall hat sie nicht mehr viele Stunden zu leben.«
    »O Gott«, sagte Przebuda und nahm seine Brille ab. »Nein,
den Job möchte ich nicht mit dir tauschen, wenn du entschuldigst. Aber was sagt diese Belle denn? So hieß sie doch, oder?«
    Der Hauptkommissar nickte.
    »Belle Moulder. Ja, da liegt der Hase im Pfeffer. Zum einen sagt sie überhaupt nicht besonders viel. Sie ist diejenige in der Gruppe, die am längsten ausgehalten hat ... die das Schweigen als allerletzte gebrochen hat. Offenbar ist sie so eine Art Anführerin und nicht gerade eine besonders gute, wenn ich die Zeichen richtig deute. Zum anderen glaube ich, dass sie lügt, wenn sie doch einmal den Mund aufmacht. Sie behauptet, dass sie zusammen mit Clarissa von dem Felsen aufbrechen wollte, aber dass Clarissa eine Weile für sich sein wollte, um über etwas nachzudenken. Deshalb hat sie sie dort allein gelassen.«
    »Aha«, sagte Przebuda. »Und du, was glaubst du, was passiert ist? Denn diesmal kann ich sehen, dass du da so eine Theorie hast.«
    »Ich glaube, sie hat sie ausgeschimpft«, sagte Van Veeteren.
    »Ausgeschimpft?«, wiederholte Przebuda und kratzte seine Pfeife mit einem Zahnstocher aus. »Warum denn?«
    »Weil sie ein wenig zu offenherzig war, als ich mit den beiden geredet habe.«
    »Ach so«, sagte Przebuda. »Und, war sie das?«
    Der Hauptkommissar seufzte. »Absolut nicht. Aber so sind die nun mal.«
    Przebuda dachte eine Weile nach.
    »Na gut«, sagte er schließlich. »Ich denke auch nicht, dass das kriegsentscheidend sein könnte. Das ältere Mädchen lässt das jüngere allein, entweder nach einem Streit oder einfach nur so. Was spielt das für eine Rolle?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Van Veeteren. »Vielleicht gar keine, aber es gibt da noch ein kleines Detail. Es deutet einiges darauf hin, dass Belle Moulder am späten Abend noch ein Vier-Augen-Gespräch mit Jellinek hatte ... irgendwann nach der Versammlung, aber noch bevor es Zeit zum Schlafengehen war. Ungefähr um halb zehn. Ein paar der Mädchen haben angedeutet, dass sie die beiden zusammen gesehen haben ... aber
nur ganz vage, es wissen also die Götter, und sie selbst leugnet das.«
    »Und was könnte das bedeuten, wenn sie mit Jellinek geredet hat?«
    »Schwer zu sagen. Das Wahrscheinlichste ist natürlich, dass er Informationen über Clarissa Heerenmacht haben wollte. Er musste zu diesem Zeitpunkt ja auch bemerkt haben, dass sie verschwunden war. Und wenn er sie selbst umgebracht hat, dann weiß er das natürlich nur umso besser.«
    Przebuda nickte und stopfte seine Pfeife neu.
    »Ich verstehe«, sagte er. »Ja, ich glaube, ich sehe das Bild ziemlich klar vor mir. Willst du noch ein Glas?«
    »Meinst du, das muss sein?«, fragte der Hauptkommissar. »Na gut, aber nur ein paar Tropfen.«
    Andrej Przebuda stand auf und ging zum Eckschrank.
     
    »Und dann?«, fragte Przebuda. »Ich meine, da unten am Felsen.«
    »Gute Frage«, sagte der Hauptkommissar. »Ja, dann – vermutlich nur eine Viertelstunde nachdem Belle Moulder sie verlassen hat – kommt der Mörder ins Bild. Entweder er taucht bereits unten am Felsen auf oder irgendwann, als sie auf dem Weg zurück zum Ferienlager ist. Ich glaube nicht, dass das Mädchen beschlossen hatte, das Essen zu schwänzen, obwohl das natürlich nicht ausgeschlossen ist.«
    »Du sagst es«, bemerkte Przebuda.
    »Lass uns davon ausgehen, dass es ein Mann ist«, nickte der Hauptkommissar. »Er vergewaltigt sie und bringt sie um,

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