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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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möchten Sie jetzt bitte zur Sache kommen, Herr ...«, er schaute auf seinen Notizblock,»... Herr Wack. Wir haben so einiges zu tun, und die Zeit ist knapp.«
    »Ja, hm, das kann ich mir denken. Ich kann Ihnen also erklären, wie der Mord sich zugetragen hat und was der Zweck war ...«
    »Der Zweck?«
    »Ja, der Zweck. Die Wege des Herrn können uns normalen Menschen ja unergründlich erscheinen, aber es gibt immer einen Zweck ... einen Plan und einen Grund. Bei allem, Herr Kommissar, und damit meine ich wirklich alles ...«
    »Hören Sie auf«, unterbrach Kluuge. »Und seien Sie so gut und erzählen Sie mir endlich, was Sie zu sagen haben, statt die
ganze Zeit über alle andere herumzuschwadronieren, sonst lege ich den Hörer auf.«
    »Ich habe eine Vision gehabt«, erklärte der Mann. »Und in dieser Vision sah ich, wie alles zugegangen ist und wie alles zusammenhängt. . .«
    »Warten Sie«, sagte Kluuge, »warten Sie einmal! Wie halten Sie es mit der Religion, Herr Wack, können Sie mir das sagen?«
    »Ich glaube an unseren alleinigen Gott.«
    »Sind Sie Mitglied in Das Reine Leben?«
    »Von Anfang an«, erklärte Tomasz Wack stolz. »Ganz von Anfang an.«
    Kluuge stöhnte und schleuderte seine Schuhe unter den Tisch. Verfluchte Schafsköpfe, dachte er.
    »Wissen Sie, wer Clarissa Heerenmacht ermordet hat?«, fragte er dann.
    Herr Wack räusperte sich feierlich.
    »Niemand hat Clarissa Heerenmacht ermordet«, erklärte er ernsthaft. »Absolut niemand. Sie ist von unserem Herrn heimgeholt worden. Das war ein Versprechen und eine Strafe, die gleichzeitig erfüllt werden sollten ... und eine große Gnade.«
    »Danke, Herr Wack«, sagte Kluuge und bemerkte, dass es wie ein idiotischer Vers aus einem Kinderbuch oder ähnlichem klang.
    »Ich habe mir alles notiert, was Sie gesagt haben.«
    Er warf den Hörer hin und rief nach Frau Miller. Nach einer halben Minute tauchte sie in der Türöffnung auf, ebenso kühl und unberührt wie immer.
    »Ja?«
    »Frau Miller, habe ich Ihnen nicht gesagt, dass Sie keine Verrückten am Telefon durchstellen sollen? Das ist jetzt der dritte heute, und ich habe wirklich noch andere Aufgaben zu erledigen als ...«
    »Ich verstehe«, sagte Frau Miller, bevor er überhaupt zum Punkt kommen konnte. »Sonst noch etwas?«

    »Nein, das war alles«, seufzte Kluuge. »Ach doch, ja, haben wir eigentlich noch Selters im Kühlschrank?«
    »Ich werde nachsehen«, sagte Frau Miller, und nach einer weiteren halben Minute war sie zurück.
    »Nein, die ist aufgebraucht«, stellte sie gleichgültig fest und verließ ihn wieder.
    Ja, verdammt, wer ist hier nicht aufgebracht, dachte Kluuge und zog sich auch noch die Strümpfe aus.

24
    »Aber was ist denn deiner Meinung nach wirklich passiert?«, fragte Przebuda und zündete sich die Pfeife an. »Wenn wir mal wieder ein wenig in die Wirklichkeit zurückkehren wollen.«
    Van Veeteren nippte an seinem Weinglas und betrachtete die Reste der Mahlzeit, die sie beide die letzte Stunde beschäftigt hatte. Es war Samstagabend, die Dunkelheit senkte sich langsam herab, und Andrej Przebuda hatte gerade ein paar Kerzen geholt, deren flackernde Flammen jetzt einen unruhigen Schein auf den Tisch warfen. Für einen Moment spürte der Hauptkommissar, wie seine Wahrnehmung sich zu verschieben schien ... wie er plötzlich mitten in einem Film zu sein meinte – als er langsam seinen Blick über die Dinge im Zimmer schweifen ließ, ihre dunklen Konturen und das sparsam beleuchtete Äußere, wurde ihm klar, was für ein Gefühl es sein musste, für einen Kieślowski oder einen Tarkowskij die Kamera zu führen. Oder sogar das Kameraauge selbst zu sein. Wobei der Rahmen hier natürlich alles andere als zufällig anzusehen war. Przebuda war keiner, der mit Details schlampte. Wieder hatten sie sich über Filme unterhalten, über deren Ausdrucksmittel und deren Voraussetzungen, wenn es darum ging, unsichtbare Dinge sichtbar zu machen und sie zu gestalten. Oder sie jedenfalls wahrnehmbar zu machen. Dieses besondere Raster, das die vieldeutige und irrationale Welt auf einer einfachen zweidimensionalen Leinwand vollkommen klar
und begreiflich erscheinen ließ. In den rechten Händen natürlich, es gab da auch so viele Pfuscher ... so unglaublich viele.
    »Die Wirklichkeit?«, wiederholte der Hauptkommissar, nachdem er die Fantasiebilder weggezwinkert hatte. »Ach so, die ... ja, vermutlich glaube ich viel zu viel. Es gibt so viele sonderbare Dinge in dieser Geschichte,

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