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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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und es ist so schwer, die herauszuhalten ... zu viele sonderbare Dinge in dieser Sekte, genauer gesagt. Ihre verfluchten Dummheiten und kranken Ideen verdrehen sozusagen die ganze Perspektive. Weg von dem Wesentlichen, ich dachte, wir hätten schon letztes Mal darüber geredet.«
    »Und was ist das Wesentliche?«, fragte Przebuda und blies eine dicke Rauchwolke aus, die den Tisch und die Überreste für einen Augenblick wie ein Schlachtfeld en miniature erscheinen ließ.
    »Das Wesentliche«, wiederholte der Hauptkommissar, als der Rauch sich verzogen hatte, »ist, dass ein Mädchen am Sonntagabend in Waldingen draußen ermordet wurde. Wenn wir uns allein darauf konzentrieren und das weitere Vorgehen des Reinen Lebens einmal außer Acht lassen, ja, dann kommen wir vielleicht weiter.«
    »Ich verstehe«, sagte Przebuda. »Nun, dann rekonstruieren wir doch den Sonntagnachmittag, dann werden wir ja sehen. Ich bin ganz Ohr.«
    »Hm«, sagte Van Veeteren. »Ich kann ja wohl schlecht zulassen, dass du mir erst diese außerordentliche Tafel hier auftischst und dich dann auch noch um meine Angelegenheiten kümmerst ...«
    »Ach Quatsch«, unterbrach ihn sein Gastgeber. »Glaubst du, ich bin so erpicht darauf, dass hier in unseren Wäldern ein Verbrecher herumläuft? Außerdem darf ich dich daran erinnern, dass ich eine kleine Zeitung habe ... also, um wessen Arbeitsbereich es hier geht, das sei noch dahingestellt.«
    Der Hauptkommissar gab sich damit zufrieden und nahm eine neue Zigarette. Das war auch wieder so eine Gewohnheit geworden, mehrere Tage hatten sie ihm nicht mehr geschmeckt.
Aber wenn die ganze Sache hier endlich vorbei wäre, würde er sich schon neue und klarere Grenzen setzen. In so mancher Beziehung.
    »All right«, sagte er und streckte sich. »Wenn du darauf bestehst! Hmm! Der Sonntagnachmittag, fangen wir also mit dem Sonntagnachmittag an ... Ich verbringe dort draußen so ungefähr zwei Stunden. Rede mit Jellinek, mit allen drei Frauen und mit zweien der Mädchen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich da draußen in größerem Maße Umstände bereite, aber als ich gegen drei Uhr wegfahre, habe ich anscheinend für einige Unruhe gesorgt ... einiges offensichtlich in Bewegung gesetzt, die Frage ist nur, was.«
    Er machte eine Pause, aber Przebuda saß weiterhin zurückgelehnt auf seinem Stuhl auf der anderen Seite des Tisches und betrachtete ihn über den Rand seiner Brille.
    Mit konzentriertem Ernst, wie es schien. Vielleicht gewürzt mit einem Tropfen milder Nachsicht. Der Kommissar holte tief Luft und fuhr fort.
    »Wie dem auch sei, jedenfalls hat das anscheinend die Pläne für den Nachmittag gestört. Die Aktivitäten, die anvisiert waren – irgend so eine Art Gruppenarbeit um die Gebote anscheinend – wurden abgesagt, und die Mädchen bekamen stattdessen ein paar Stunden frei. Sie durften mehr oder minder tun, was sie wollten, ein ziemlich ungewöhnlicher Einschub im Programm, soweit ich es verstanden habe; normalerweise waren die Erwachsenen darauf bedacht, sie von morgens bis abends mit irgendwelchen Frömmeleien zu beschäftigen. Stunde um Stunde ... ohne die Möglichkeit, einmal nachzudenken, das ist ja wohl der Sinn des Ganzen. Ich weiß absolut nicht, was Jellinek und seine Weibsen in diesen Nachmittagsstunden ausheckten, aber vermutlich haben sie alle vier irgendwo zusammengehockt und heiß diskutiert. Die Lage oder so. Um sechs Uhr wurde jedenfalls wie immer das Essen serviert, nur dass Jellinek schon nicht mehr dabei war. Gemüsesuppe mit Nudeln. . . Brot, Butter und Käse. Das kann ein wenig spartanisch wirken, aber es war in keiner Weise ungewöhnlich.«

    »Jellinek ...?«, setzte Przebuda an.
    »Nimmt nicht an der Mahlzeit teil und auch nicht an dem davor stattfindenden Gebet. Aber er geht wie immer zusammen mit einem Mädchenquartett ungefähr zwischen sieben und viertel vor acht Milch bei den Finghers holen. Dann taucht er kurz nach neun auf, das wissen wir auf jeden Fall. Da leitet er die Abendversammlung genau wie immer ... zuvor haben jedoch die Mädchen durch die Frauen erfahren, dass Das Reine Leben vom Feind bedroht wird und dass sich große und entscheidende Dinge anbahnen.«
    »Verdammte Scheiße«, sagte Przebuda und legte seine Pfeife hin. »Reden die wirklich so?«
    Van Veeteren nickte.
    »Aber ja«, sagte er, »aber wenn wir noch einmal zurückspulen und uns auf die Mädchen konzentrieren – die nutzen ihre Freiheit am Nachmittag auf unterschiedliche Weise.

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