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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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das waren ihre eigenen Schritte auf dem Kies und Mathilde Ubrechts leicht angestrengtes Atmen. Es lag eine leichte Aura der Anspannung über ihren Bewegungen, und er achtete darauf, sich einen halben Meter hinter ihr zu halten, damit er auf keine Weise ihre Schritte und eventuellen Beschlüsse beeinflusste.
    Gab kein Wort von sich, bis sie an dem künstlich angelegten Teich mit Wasserrosen und dem leise plätschernden Wasser
aus einer pathologischen Bronzefigurine angekommen waren. Sie setzten sich auf eine der braun gebeizten Bänke, und Van Veeteren zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich habe drei Fragen«, erklärte er. »Ihr Schweigen schützt einen Mörder. Ich gehe davon aus, dass Sie mir ehrlich antworten.«
    Mathilde Ubrecht antwortete nicht. Gab in keiner Weise zu verstehen, dass sie überhaupt gehört hatte, was er gesagt hatte. Er zog an seiner Zigarette und begann.
    »Frage Nummer eins«, sagte er. »Wissen Sie, wer Clarissa Heerenmacht ermordet hat?«
    Schweigen. Er hob seinen Blick und betrachtete den dunklen Wald über der Mauerkrone. Sie wird nicht antworten, dachte er.
    »Nein«, sagte sie.
    Van Veeteren nickte. Ließ eine Minute verstreichen. Drückte seine Zigarette aus.
    »Nummer zwei«, sagte er. »Wissen Sie, was mit Katarina Schwartz passiert ist?«
    Das gleiche Abwarten. Dann holte sie tief Luft, er konnte das unregelmäßige Pfeifen in ihren Bronchien hören.
    »Nein.«
    »Danke«, sagte der Hauptkommissar. »Meine letzte Frage betrifft Oscar Jellinek. Wissen Sie, wo er ist?«
    Diesmal zögerte sie noch länger, aber als die Antwort kam, war sie genauso eindeutig wie die vorherigen.
    »Nein.«
    Er blieb noch eine Weile sitzen und ging mit sich selbst zu Rate.
    »Gibt es sonst noch etwas, was Sie mir sagen wollen?«
    Statt zu antworten, erhob sie sich und bedeutete ihm, dass sie zurück ins Haus wollte. Er nickte, und sie gingen durch das immer blauere Schweigen zurück.
     
    Matthorst fing sie bereits am Hauseingang ab, und Van Veeteren war klar, dass er sie durchs Fenster beobachtet hatte.

    Er ging nicht mehr mit hinein. Überließ sie der Verantwortung des Assistenten, hatte aber noch eine Sekunde lang Augenkontakt mit ihr, bevor sie durch die Tür verschwand, und es war dieser Abschiedsblick, den er während des ganzen Rückwegs in sich trug.
    Durch den Krankenhauspark. Durch den dunklen Wald. Den spärlich erleuchteten Weg entlang hinunter in den Ort.
    Drei negative Bescheide auf seine drei Fragen hatte er bekommen. Sowie einen Blick, der besagte ... ja, was denn?
    Intuitiv – bevor er zu analysieren und abzuwägen begann – war die Antwort für ihn klar gewesen:
    Ich habe die Wahrheit gesagt. Glaube mir.
    Aber dann kamen die Zweifel. Konnte er sich darauf verlassen? Traute er sich wirklich zu, einer dieser verrückten Priesterinnen zu glauben – oder welches Epitheton man ihnen nun anhängen wollte? Hielt sie wirklich keine näheren Angaben zurück, die sie ihm hätte mitteilen können?
    Was den Mord betraf, das Mädchen, das verschwunden war, oder die Herde, das war das Gleiche.
    Er wusste, dass alles von seiner Beurteilung dieser Fragestellung abhing, und außerdem war es ja auch nicht ausgeschlossen, dass sie ihm ein Gebräu serviert hatte ... zwei Wahrheiten und eine Lüge – oder umgekehrt –, und als er dem Ort langsam näher kam, erschien es ihm, als könnte er seinen Spaziergang als die übliche alte Balanceprobe ansehen. Auf der unscharfen, besudelten Klinge zwischen wahr und falsch.
    Wie sehr konnte er ihr vertrauen? Ihren drei Nein. Wie viel war seine Intuition in diesem Fall wert?
    Auch als er sich eine Weile später an einem leeren Tisch in Grimm’s Speisesaal niederließ, wusste er es noch immer nicht. Hatte aber trotzdem so manchen Beschluss gefasst.
    Denn jemand musste ja trotz allem die Sache in die Hand nehmen und die Körner abwägen, die ihnen in den Weg gestreut worden waren. Mene tekel.
    Mene mene tekel.

23
    Suijderbeck kümmerte sich nicht um das Warnschild, stattdessen riss er die Pforte so weit auf, dass sie in den Angeln kreischte. Eine halbe Sekunde später kamen ganz richtig zwei fünfzig Kilo schwere Schäferhunde um die Hausecke geprescht. Suijderbeck blieb stehen.
    »Platz!« dröhnte er, als die Bestien sich auf zwei Meter Abstand von ihm befanden, und das Adrenalin stand wie eine Dampfwolke um ihre Mäuler.
    Es hatte die gleiche Wirkung wie immer. In Sekundenschnelle verwandelten sich die Hunde in zwei phlegmatische schwarze Schafe, deren

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