Der Konvent der Zauberer
versuche, mich vor dem Kaminfeuer aufzutauen. Ich bin gerade mittendrin, als ein junges Mädchen von etwa neun oder zehn Jahren hereinkommt und mich anstarrt. Aufgrund ihres zerzausten Aussehens halte ich sie für die Tochter eines Bediensteten.
»Du bist fett«, behauptet sie.
»Du bist hässlich«, kontere ich. Warum sollte ich mich von der Göre eines Hausdieners beleidigen lassen?
Sofort bricht das Kind in Tränen aus und verlässt fluchtartig den Raum. Meine Laune bessert sich. Sie hätte es sich eben überlegen sollen, bevor sie die Klingen mit Thraxas kreuzt. Dreißig Sekunden später taucht Zitzerius auf. Am Saum seiner Toga hängt das junge Mädchen, schluchzt hysterisch und denunziert mich als den Mann, der es beleidigt habe.
»Was habt Ihr zu meiner Tochter gesagt?« Zitzerius fixiert mich mit seinem durchdringenden Blick.
»Das ist Eure Tochter? Ich wusste gar nicht, dass Ihr eine so niedliche Tochter habt.«
»Ist es bei Euch an der Tagesordnung, dass Ihr die Kinder Eurer Auftraggeber beschimpft?«
»He, sie hat damit angefangen«, protestiere ich.
Zitzerius bemüht sich redlich, seine Tochter zu beruhigen, bevor er sie wegschickt, ihre Mutter suchen. Das Gör ist immer noch in Tränen aufgelöst, was Zitzerius sichtlich schmerzt. Natürlich ist das alles andere als ein guter Anfang für unsere Unterhaltung, aber zwischen Zitzerius und mir scheint das die Regel zu sein.
»Habt Ihr getrunken?«
»Ich habe immer getrunken. Aber lasst Euch davon nicht abhalten, mir einen Schluck Wein anzubieten. Wusstet Ihr schon, dass die Miet-Landauerkutscher in Turai gegen die Traditionalisten eingenommen sind?«
»Aus welchen Gründen?«
»Wegen der zu hohen Steuern.«
Zitzerius wischt das mit einem unmerklichen Neigen seines Kopfes beiseite. Mit einem wie mir will er wohl keine Regierungsangelegenheiten diskutieren. An der Wand des Salons hängt ein großes Gemälde, das Zitzerius zeigt, wie er dem Senat die Leviten liest. Und in einer Nische in der Ecke steht eine Büste von ihm. Der Droschkenkutscher hatte Recht, zumindest was Zitzerius’ Eitelkeit angeht.
»Ich brauche Eure Hilfe«, sagt er. »Obwohl ich mich wie immer, wenn wir uns begegnen, frage, wieso ich mich ausgerechnet an Euch wende.«
»Vermutlich habt Ihr einen Auftrag, der für einen vornehmeren Detektiv unzumutbar ist.«
»Nicht ganz. Ich habe einen vornehmeren Detektiv engagiert, aber er ist krank geworden. Der zweite auch.«
»Gut. Immerhin bin ich noch dritte Wahl.«
»Vierte.«
»He, Ihr gebt Euch wirklich alle Mühe, mir den Auftrag schmackhaft zu machen, Zitzerius. Vielleicht sagt Ihr einfach, worum es sich handelt.«
»Ich möchte, dass Ihr als Beobachter an dem Konvent der Zauberer teilnehmt.«
»Tut mir Leid«, erwidere ich. »Diesen Auftrag kann ich nicht übernehmen. Danke für das Angebot, bemüht Euch nicht, ich finde selbst hinaus.«
»Was?« Meine unverblümte Ablehnung verblüfft Zitzerius. »Warum könnt Ihr das nicht übernehmen?«
»Aus persönlichen Gründen«, erwidere ich und gehe zur Tür. Ich werde dem Vizekonsul nicht auf seine aristokratische Nase binden, wie klein, ohnmächtig und unbedeutend ich mich fühlen würde, wenn ich an dem Konvent der Zauberer teilnehmen müsste. Und mich die ganze Zeit das Gefühl verfolgen würde, mein Leben vollkommen verpfuscht zu haben.
Zitzerius tritt mir in den Weg.
»Persönliche Gründe? Das ist kein genügender Grund, um mein Ersuchen abzulehnen. Ich biete Euch den Auftrag schließlich nicht zum Vergnügen an. Sondern weil es ein Dienst ist, den Turai von Euch erwartet. Wenn Euch Eure Stadt ruft, sind persönliche Gründe ohne jeden Belang. Also setzt Euch gefälligst hin und hört zu.«
Der Vizekonsul könnte mir das Leben in Turai mit Leichtigkeit sehr ungemütlich machen. Er müsste nicht einmal allzu viele Strippen ziehen, um dafür zu sorgen, dass meine Lizenz einkassiert wird. Also setze ich mich hin, höre zu und trinke seinen Wein. Allerdings gebe ich mir keine Mühe, so zu wirken, als würde ich es genießen.
»Ihr wisst, dass die Zauberer einen neuen Oberhexenmeister ihrer Innung wählen?«
Das weiß ich. Der Vizekonsul braucht mir auch nicht zu erzählen, dass dies für Turai von großer Bedeutung ist, genauso wie für alle anderen Menschenstaaten. Die Zauberer jedes Landes haben zwar ihre jeweils eigene Innung und auch ihre eigenen Bonzen, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Gilden und Innungen ist die der Zauberer eine internationale
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