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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Sooft er schlug, zuckten die Bauern. Die Punkte fielen wie Nägel in ihre Stirnen. Als Breideis fertig war, hob er die Hand und lief querdurch hinaus. Man hörte in der Stille, die dem Heil! folgte, den Motor anlaufen.
    Dann schob sich aus der Ecke, in der er hinter dem Rücken seiner Kameraden gestanden hatte, der Bauer Zillich aus Botzenbach nach vorn. Sofort wurden alle unruhig. Sie witterten eine Kraft. Zillich war schwer undbreit. Von seinem geschorenen Haar waren auf den Schläfen zwei rötliche Flecken übrig. Auf dem großen Klotz seines Rumpfes saß ein kleinerer Klotz von Kopf. Wenig Gesicht, aber kein törichtes, auch mehr als ein bloß schlaues. Zillich stemmte sich nach vorn. Seine gespreizten Finger drückten sich auf dem Tisch platt, seine kleinen, tiefliegenden Augen schnurrten reihauf, reihab, Mücken, die jedem ein Tröpfchen Blut abstachen. Er redete die Bauern an: »Ho, ihr Leute aus Oberweilerbach! Ihr Volksgenossen aus Oberweilerbach! Nun denkt ihr: Was will denn der alte Zillich hier? Was will denn der hier? Den kennen wir doch, was will denn der uns Neues sagen? Ja, denkt einmal, warum der Zillich hier steht, warum er den Rock von Adolf Hitler angezogen hat, warum er heimgekommen ist von der Arbeit und doch nicht daheimgeblieben ist. Warum ist der Zillich unter die SA gegangen? Ja, warum?
    Ich will euch sagen: Der Zillich ist unter die Nazis gegangen, weil es so nicht weitergeht. Er ist unter die Nazis gegangen, weil er vier Kinder zu Hause hat und kein sattes, und weil es so nicht weitergeht. Weil er ein deutscher Bauer ist, der Zillich, und weil sie sein Land verschandelt haben. Und was der Feind gelassen hat, das saugen die Juden innen aus. Schon mal im Leben hat der Zillich ’ne Knarre genommen, und nun nimmt er sie wieder. Und wer keine Knarre hat, der hat doch eine Mistgabel, welches keine schlechte Waffe ist, um Juden und rotes Pack aus einem deutschen Dorf hinauszujagen.
    Ihr habt doch jetzt alle gehört, welches die Punkte sind, nach denen uns Adolf Hitler heißt, unsere Sachen in Ordnung zu bringen. Der Zillich will euch was sagen: Bis jetzt hat man immer den Falschen die Schulden bezahlt, jetzt aber wird gesorgt, daß sie den Richtigen bezahlt werden: nicht, die die feinsten Zungen haben, sondern der Armut. Und solche, die mehr Land für sich haben, als wir hier alle zusammen, und all ihr Land doch bloß mitden Augen kennen, die wird man es jetzt bald kennenlernen machen mit den Fäusten und mit Schwitzen und mit krummem Nacken, verlaßt euch drauf! Kommen wird der große Pflug über solchem, was deutsches Ackerland ist, und er wird die Raine frisch ziehn, verlaßt euch drauf.
    Und wenn ihr wollt, daß nicht der Jud euren Verdienst frißt, sondern eure Nachkommenschaft, und daß eure Schulden weggenommen werden, und daß ihr zu Land kommt, und daß ihr zu Vieh kommt, und daß ihr zu Werkzeug kommt, und daß eure Kinder vorankommen, dann sorgt, daß ihr den Rock ankriegt, den der Zillich am Leib hat. Ja, diesen Rock.«
    Er ließ den Tisch los, packte seinen Rock vorn und riß. Der Stoff aber schien aus Bronze zu sein. Zillich machte eine Bewegung des Atemholens. Da drängten sich welche von hinten an, es wurde geflüstert, es entstand eine Unruhe bei der Tür. Zillich machte mit dem Fuß einen Tritt in die Luft wie ein Pferd, das ausschlägt. Er redete weiter, aufgestemmt, mit unbewegtem Körper. Die Bauernschaft war starr. Als Zillich plötzlich fertig war, fingen die Jungens sofort zu singen an. Das war wie am Karfreitag, das lief ihnen frostelig den Rücken herunter. Zillich brachte das »Heil!« aus, die Bauern blinzelten, die Versammlung wurde ziemlich plötzlich geschlossen. Die Jungens liefen nach den Autos, bevor die Bauern richtig zu sich kamen, waren drei Lastautos voll davon. Sie ließen das Dorf aufgerissen zurück.
III
    Nämlich, die Unruhe war entstanden, weil man in Zillichs Rücken gemeldet hatte, ein rotes Landagitationsauto sei von Beuren gegen Botzenbach gefahren. Nach kurzer Fahrt ließ Zillich halten und stieg mit einem Teil seiner Leute in das beste Auto um, das der Brauereifahrer führte. Sie ließen die beiden andern Autos hinter sich zurück.Sie kamen so schnell vorwärts, daß sie das entgegenfahrende Auto bereits kurz nach seiner Ausfahrt aus Botzenbach, noch vor der Mühle, sichteten. Zillich erkannte in dem dichtbesetzten Auto zwei Köpfe an den bloßen Umrissen: Rendel, der war geschoren wie er selbst, sein Nachbar Ibst, dem er ins Auge gestochen hatte,

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