Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932
schon mal ’nen Arschklopper gesehen, der ’ne Mitgift will?« Der junge Merz sagte verwirrt: »Na wieso denn, wer denn?«
»Deiner Schwester ihrer, natürlich. Weißt du, was ersagt? ›Hören Sie, Vater, wenn Sie wollen, Vater, daß Ihre Luise in ihren vier Wänden –‹« Um den Rifke nachzuahmen, knäulte der Alte, in Wut geraten, seinen großen Bart zu einem kleinen Bart zusammen, den man zupfen konnte.
»Ich werd mir den Rifke mal vorknöpfen.«
»Kannste das denn?«
»Freilich kann ich. Heut werd ich.«
»Ja, ich werd mal, sobald ich mit dem Pflügen durch bin, in die Stadt müssen. Ich werd mir mal den Naphtel ins Café Krall bestellen, mal hören, was der so meint.«
Wenn alles so weiterging, dachte der alte Merz, würde der Sohn wenig Freude an diesen Pferden und diesen Äckern erleben. Er würde dann nicht mehr denken: Um so besser. Er würde mit Wut an den Sonntagmorgen in Bastians Garten zurückdenken.
Der Sohn war jetzt ganz wach, ganz bei der Sache. »Wie kommt er denn dazu, der Rifke?«
»Frag ihn. Er will’s gut haben. Die sind doch alle faul. Der will in uns rein wie die Laus in den Pelz. Die Verlobung läßt man nicht gern zurückgehen.«
Der junge Merz lachte. »Der steckt Geldröllchen in den hohlen Rohrstock. Weißt du, was der Lump denkt? Wenn ich in den sauren Apfel beiß und beim Bauer einheirat – «
Er stand auf. Der Alte sah ihm zufrieden nach. Merkwürdigerweise hatte sich bei diesem unergiebigen Gespräch das gegenseitige Vertrauen wiederhergestellt.
Der junge Merz war in zehn Minuten daheim. Er ging in den Garten. Rifke half seiner Schwester ein Wäscheseil aufknüpfen.
»Guten Abend, Rifke. Einen Augenblick mal.« Der junge Merz hatte noch kein Wort seit der Verlobung mit seinem Schwager gesprochen. Rifke bekam sofort das Unbehagen, das er immer spürte, wenn er mit seinem Schwager zusammentraf.
»Hört mal, Rifke, Ihr kommt immer nur sonntags zuuns. Ihr müßt mal werktags kommen – Weckklöß und Zwetschgen, Zwetschgen und Weckklöß.«
Rifke sah sich unruhig nach Luise um. Er sah zurück in das breitnasige, von Schweiß und Hitze verquollene Gesicht des jungen Merz mit dem schwärzlichen Kinn. Der junge Merz sah in das knifflige, bläßliche Gesicht des Lehrers. Auf einmal sahen sich beide mit offenem Haß an. Der Lehrer fragte leise: »Von was reden Sie eigentlich?«
»Ich red von der Mitgift.«
»Mitgift? Ich hab Ihren Vater gebeten, er soll uns tausend Mark geben, damit alles instand gesetzt wird, damit – «
Dem jungen Merz fuhr es durch den Kopf: Hui, wegen tausend Mark muß der verkaufen. So steht’s.
Er sagte: »Hier bei uns kostet allein die Hochzeit den Brauteltern viel Geld.«
Der Lehrer sagte einlenkend: »Ich weiß wohl. Bin doch sozusagen auch vom Ort. Ich freilich würde meinerseits auf den Trubel verzichten – «
Der Junge rief: »Luise!«
Luise stellte sich zwischen die Männer. Sie war heute bäuerlich gekleidet, ein Tuch ums Haar. Der Lehrer war hemdärmelig, mit Kragen.
»Luise, hör mal. Du willst doch eine Hochzeit haben, eine richtige, wie alle hier – «
Luise sagte erstaunt: »Nun ja, gewiß.«
Der Bruder sah plötzlich starr vor sich hin, denn er dachte an das, was ihn selbst erwartete. Er hatte jetzt erst richtig auf den Lehrer einreden wollen, statt dessen sagte er freudig: »Ja, gewiß. Wir werden eine große Doppelhochzeit feiern.«
Fünftes Kapitel
I
»Warum seid Ihr eigentlich ins Dorf zurückgekommen?«
»Das verstehste nich, wenn ich’s dir auch erklär.«
»Doch, doch.«
»Pflügst du, dann denkst du, darunter liegst du mal. Das ist dann wenigstens mir. Das ist ganz mir.«
»Was hast du davon, daß es dir ist? Und dann, es ist auch gar nicht dir.«
»Ich hab’s dir ja gleich gesagt, du verstehst es nicht. Ein Mensch muß was haben, was ihm ist. Was er hat, das is er, sonst wird nichts draus, wenn er nicht weiß, für wen er’s macht.«
Johann fragte: »Hab ich denn schlecht für euch gearbeitet?«
Bastian sah ihn erschrocken an. In seinen grauen, versteckten Augen war Überraschung, sogar Angst. »Das hab ich nicht behauptet. Du bist ein guter Arbeiter.« Sie hatten vor sich auf dem Tisch eine Menge Kleinwerkzeug, um mal alles durchzusehen. Dora stopfte, der Junge sortierte Nägel in Streichholzschachteln. Johann war sehr geschickt im Reparieren. Sie hörten die Zauntür klappern. Jemand stieß mit dem Schuh an die Tonne, schwerer, knalliger Gang, drei Stimmen. Es wurde hart geklopft. Bevor man
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