Der Kraehenturm
urteilen?« Er warf die Kapuze zurück und entblößte ein verwachsenes Gesicht ohne Nase mit nur einem Auge, das beinahe herauszuspringen drohte.
»Eine Mischung aus Vampir und Werwolf, Gott steh uns bei«, flüsterte Raban.
»Ganz recht. Während sich Eure Artgenossen unauffällig in den Städten bewegen können, musste ich mich verbergen. All mein Wissen verkümmerte ungenutzt, nur weil ich kein Mensch bin.«
»Meine Schwester verbrannten sie«, fiel Marthes ihm ins Wort, »nur weil sie eine Saga war. Die Magie soll ihren rechtmäßigen Platz zurückerhalten.«
Silas spuckte auf den Boden. »Da redet ihr mit dem Falschen. Hexen töten ist mein Beruf.« Er warf einen raschen Blick auf Gismara, doch ihre Miene blieb ausdruckslos. »Ich kann mein Tätigkeitsfeld auch auf andere Kreaturen ausweiten.«
»Ihr seid nur einer. Warum sollten sich ein Vampir, eine Hexe und ein Strigoi meiner Sache nicht anschließen?«
»Weil dies der falsche Weg ist«, sagte Icherios, erstaunt über seinen Mut. »Wenn der Schleier bricht, sterben Tausende.«
»Es wird immer Opfer geben.«
»Nicht heute Nacht.« Silas schleuderte ein Messer in das verzerrte Gesicht des Doctore, doch der wich mit Leichtigkeit aus. Ein schwarzer Blitz zuckte aus seiner Hand und traf den Hexenjäger. Mit einem Aufschrei ging dieser zu Boden. Der junge Gelehrte bereute es, keine Waffe zu tragen. Er nahm sich fest vor, sollte er diese Nacht überleben, Fechten zu lernen.
Marthes zog seinen Degen und schritt zielstrebig auf Icherios zu. »Ich habe dir so viele Chancen gegeben.« Er holte aus und zielte auf den Kopf des jungen Gelehrten, doch Rabans Hand schnellte nach vorn und packte Marthes’ Arm. Auch der Doctore zog seine Waffe, ein hauchdünnes, pechschwarzes Schwert, und attackierte den alten Vampir. Es entbrannte ein heftiger Kampf. Der Doctore bewegte sich mit der Eleganz eines Vampirs und der Kraft eines Werwolfs, während Marthes geschickt jede Schwäche der Angreifer ausnutzte.
Wann immer einer von ihnen in Bedrängnis geriet, sprach Gismara einen schützenden Zauber, aber es war ihr anzusehen, dass ihre Kräfte erlahmten. Schweiß rann ihr über das Gesicht, tränkte ihr Kleid, und ihr ganzer Körper zitterte. Silas lag noch immer bewusstlos am Boden. Icherios eilte zu ihm und zog eines seiner Messer. Da öffnete der Hexenjäger die Augen. »Bring ihn zu mir«, flüsterte er lautlos.
Der junge Gelehrte nickte, auch wenn er nicht wusste, wie er es anstellen sollte. Mit einem Schrei stürzte er sich in den Kampf. In seiner Ungeschicktheit fürchtete er, Raban mehr zu behindern, als zu unterstützen, trotzdem gelang es ihm durch schnelle Stöße mit dem Dolch, Marthes auf Silas zuzutreiben, während der alte Vampir ihn vor den Schlägen des Doctore schützte. Sobald Marthes in seiner Reichweite war, sprang der Hexenjäger auf und rammte ihm ein Messer von hinten ins Herz. Blut sprudelte aus dem Mund des jungen Mannes, als er mit ausdruckslosen Augen zu Boden sank.
»Einer weniger«, stellte Silas zufrieden fest.
Icherios konnte seine Freude nicht teilen. Er hatte Marthes einst für einen Freund gehalten. Traurig blickte er auf den toten Körper hinab. Dann sammelte er sich. Der Doctore war der weitaus mächtigere Gegner. Gemeinsam mit dem Hexenjäger und Raban versuchte er ihn zu besiegen, doch die schwarz gewandete Kreatur wich ihnen behände aus. Ein Stöhnen erklang in Icherios’ Rücken, und Gismara brach zusammen. Silas warf ihr einen besorgten Blick zu, dann schlug er mit unglaublicher Wucht auf den Doctore ein. Der alte Vampir nutzte die Gelegenheit zu einem Vorstoß, hatte jedoch nicht mit der Schnelligkeit seines Gegners gerechnet. Surrend fuhr die schwarze Klinge durch seinen Hals, trennte seinen Kopf von seinem Rumpf. Icherios schrie auf. Dadurch war der Doctore für einen Moment unaufmerksam, und Silas’ Dolch traf ihn mitten ins Herz. Das Wesen fauchte ihn an, riss sich die Klinge aus dem Leib und hieb in rasender Wut auf den Hexenjäger ein.
Lass mich dich leiten, flüsterte die Stimme des Strigoi in Icherios’ Kopf. Er sah zu Silas, der kaum noch die Kraft für einen Angriff fand, sondern sich nur darauf konzentrierte, von der wirbelnden Klinge des Doctore nicht getroffen zu werden.
Was war schon sein eigenes Leben im Vergleich zu dem seiner Freunde und der Menschheit? Er umklammerte seinen Dolch, dann schloss er die Augen und überließ sich der Führung des Strigoi. Er spürte, wie ein Ruck durch seinen Körper
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