Der Krankentröster (German Edition)
einem operativen Eingriff, Angst vor einem Rückfall, Angst vor den Mitpatienten im Zimmer, Schwiegermutterbesuch usw. ist), und zudem sollen 90% aller Krankheiten ja psychisch bedingt sein.
Hast Du Entspannungstechniken, bestimmte Rituale, stellst Du dir das Publikum nackt oder als Kohlköpfe vor? Ja, das wäre doch vielleicht auch ein Tipp, sich den operierenden Arzt als Kohlkopf vorzustellen, das nimmt bestimmt auch die Angst. Ich könnte dann noch was über Stresshormone und wie schädlich sie sind, schreiben. Also, es gibt natürlich gute und schlechte. Positiver und negativer Stress.
Ihr Stars habt doch auch meistens Tricks, wie man sich schnellstmöglich wieder auf die Beine bringt und fit für die Bühne macht, wenn einen ein Infekt erwischt hat. Auch sehr interessant! Ich hätte dazu auch ein paar Tipps auf Lager. Mal zu schreiben, dass Du zum Beispiel mit einer Grippe wie jetzt auftreten musstest und wie schlecht es Dir dabei ging, Du aber mit Deiner enormen Willenskraft und sicherlich auch einer großen Gewissenhaftigkeit es zu Ende gebracht hast. Ich hatte gleich großes Mitleid mit Dir, mit gleichzeitiger Bewunderung vermischt. Was muss eigentlich bei Dir passieren, dass Du einen Termin auch mal absagst oder Du sagst: »Tut mir leid, ich kann nicht mehr«?
Liebe Grüße
Gaby
Hi Gaby,
das sind interessante Fragen, nur weiß ich nicht, ob Kranke ohne diesen Dachschaden, den wir Unterhaltungskünstler alle haben, von uns etwas lernen können. Zunächst einmal: Unterhaltungsdienstleiter, egal, ob Schauspieler, Komiker, Musiker, sind Zirkuspferde und haben den Grundsatz einprogrammiert: The show must go on. Beim Zirkus ist es noch brutaler: Da gilt, wenn der Trapezartist sich zu Tode gestürzt hat (was das Publikum ja nicht erfährt), der Grundsatz: »Send in the clowns«, schick die Komiker rein, um die Leute abzulenken. Also da ist dann das Fernsehen nicht mehr ganz so brutal, wenn man an den Sendungsabbruch bei »Wetten dass« denkt. Grundsätzlich gilt aber für jeden Einzelnen: Du gehst auf die Bühne, solange Du noch einen Ton rauskriegst. Ich hatte in meinem Leben nur drei Situationen, wo ich nicht aufgetreten bin: Einmal hatte ich mir in der Nacht vor »Geld oder Liebe« mit einem hervorstehenden Plastikdorn einer Augentropfenampulle ins Auge gestochen. Der Arzt sagte: »Ich kann es bis zu einem gewissen Grad betäuben, aber Sie werden sehr starke Schmerzen kriegen, wenn Sie die Sendung machen.« Ich hätte sie gemacht, aber der Unterhaltungschef hat es dann verboten. Das zweite war eine Kehlkopfentzündung, die mich über Nacht anflog, nach einer Talkshow. Ich reiste am nächsten Tag nach Bochum, um im ausverkauften Theater aufzutreten. Morgens kam schon kein Ton mehr. Ich dachte, das gibt sich, habe mich in der Apotheke mit Lutschtabletten und Gurgelzeugs eingedeckt, es wurde aber überhaupt nicht besser. Wir sind dann in die Klinik gefahren und der HNO-Arzt stellte die Diagnose und sagte gleich: Mindestens drei Wochen Pause. Das bedeutete: Zwölf Auftritte mussten verschoben werden, was immer sehr problematisch und teuer ist. Ich fragte, ob er mich wenigstens für diesen Abend hinkriegen würde, er meinte, dass habe er bei einem Sängerkollegen schon mal geschafft, allerdings habe er am Morgen schon angefangen. Uns blieben zwei Stunden, mit Infusion, Inhalation und was weiß ich noch. Es hat nichts gebracht, ich konnte nur krächzen, es kam kein einziger Gesangston, ich habe dann dem Publikum immerhin noch selber sagen können, dass die Show leider verschoben werden muss. Und das dritte Mal war ganz skurril. Ich sollte Gast bei »Mann an Bord« sein, einer Kabarettsendung, die auf einem Schiff, das auf dem Rhein ankerte, stattfand. Man hatte mir mehrfach versichert, dass man nichts vom Wasser merken würde. Ich bin nämlich extrem seekrank, das dauert keine Minute, und mir wird schlecht. Dummerweise führte der Rhein Hochwasser, das Schiff hatte den Liegeplatz wechseln müssen und es schwankte erheblich. Da musste ich mich dann auch leider entschuldigen, denn Comedy und Brechreiz sind keine gute Mischung. Ansonsten: Egal, welche Wehwehchen, verrenkter Rücken, verstauchter Fuß, Wasser im Knie, eingerissener Meniskus, Grippe, Fieber, das merkt man alles nicht durch das Adrenalin, das von dem Moment an fließt, wo man vor das Publikum tritt. Und den Effekt kann man nun leider allein im Krankenbett nicht simulieren. Ich habe allerdings noch einen anderen Reflex: Ich versuche, im
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