Der Krankentröster (German Edition)
doch mit einem Patienten nicht über so ein Thema sprechen dürfte, da es mir Angst machen würde. Das habe ich nicht verstanden. Mich hatte das sehr interessiert und beruhigt.
Micha schickte mir gerade den beigefügten Artikel, wo die fünf größten Bedauerungen von Sterbenden ausgesprochen wurden. Siehe E-Mail unten.
Ich sitze gerade wieder an der Buchhaltung und bin so müde. Deswegen hat mir Micha auch den Artikel geschickt, denn eine Bedauerung ist auch: Ich wünschte, ich hätte in meinem Leben nicht so hart gearbeitet. ☺
Liebe Grüße und lieben Dank für alles
Gaby
Hallo Gaby,
Jetzt werde ich mich mal von hinten nach vorn arbeiten, also mit der letzten Mail beginnen. Ich habe die Bedauerungen (schönes Wort) aus der Mail von Micha mal runtergeladen und werde sie jetzt mal kommentieren.
Also,
1. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein Leben so zu leben, wie es mir entspricht, und nicht so, wie es andere von mir erwarten.
Die Vorstellung ist schrecklich, mit diesem Gedanken zu gehen, denn damit erklärt man sein Leben für wertlos. Also ein Arzt, der nur Arzt geworden ist, weil Vater und Opa das schon waren, und er selbst wäre viel lieber Tänzer geworden oder Möbeltischler. Wobei ich denke, viele Leute haben gar keine klaren Vorstellungen, wie sie ihr Leben gestalten sollen, woher auch? Was weiß man schon vom Leben, wenn man aus der Schule kommt? Mein Vater wollte Konditor werden, er war das jüngste von acht Kindern, also wurde schon mal nicht erwartet, dass er den elterlichen Bauernhof übernimmt, aber Geld für die Berufskleidung für die Lehre war auch nicht da, also hat er sich als Vertreter durchgeschlagen und wurde irgendwann mal Barmixer. Da war er auch sehr gut, hat Preise gewonnen und wohl auch mit den Stripteasetänzerinnen und Bardamen ein gutes Verhältnis gehabt, sage ich mal vorsichtig, nur war irgendwann die Leber hinüber, und dann hat er die letzten fünfzehn Jahre ohne einen Tropfen Alkohol absolviert, und das war wohl die Hölle: Das dumme Gesabbel der immer betrunkener werdenden Gäste. Also wollte er unbedingt verhindern, dass ich in einem Nachtberuf lande. Deswegen durfte ich nicht Geige lernen, sondern nur Blockflöte. Gott sei Dank hat das schon mal nicht geklappt. Also in die Gefahr komme ich wohl nicht, mit diesen Worten abzutreten. Witzige Vorstellung: Der Papst sagt so was auf dem Sterbebett.
2. Ich wünschte, ich hätte nicht so hart gearbeitet.
Werde ich auch nicht sagen, im Moment wünsche ich mir nur mehr Zeit, um etwas mehr von dem zu schaffen, was ich vorhabe.
3. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken.
Da gibt es eigentlich nur zwei Szenarien: Das eine ist: Man möchte ein Mädchen, das man nett findet, ansprechen, traut sich aber nicht. Also trinkt man Alkohol. Jetzt traut man sich. Kann aber nicht mehr sprechen. O. k.: Das ist ein Gag aus meinem Programm, enthält aber viel Wahrheit. Ich bin eigentlich sehr schüchtern und habe mich oft nicht getraut, ein Mädchen anzugraben, das ich toll fand. Angst vor Zurückweisung ist eine schlimme Sache bei Menschen wie mir, die ein übersteigertes Harmoniebedürfnis haben. Aber als es darauf ankam, hat es ja funktioniert, also kann ich mich nicht beklagen. Die zweite Möglichkeit: Man lebt in einer unglücklichen Beziehung und traut sich nicht, sie zu beenden, und dann zieht man es durch bis zum letzten Stündlein. Das ist natürlich für den Partner dann auch hart. Da kann man dem Partner nur wünschen, er kommt bei der Analyse des letzten Satzes des Scheidenden dann nicht zu demselben Schluss wie ich.
4. Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.
Das ist merkwürdig. Jeder macht im Laufe seines Lebens die Erfahrung, dass die Gefühle für Freunde sich verändern, stärker werden, dann, wenn aus einem Mitarbeiter im Laufe der Zeit ein Freund wird, dessen Gesellschaft man nicht mehr missen möchte, oder schwächer, weil man in grundsätzlichen Fragen unterschiedlicher Meinung ist oder durch eine ungute Erfahrung die Lust an der Beziehung verliert, das Gefühl hat, ausgenutzt zu werden, oder Ähnliches. Und dann gibt es Menschen, die man einfach mag, die man nicht oft sieht, aber wenn, geht die Sonne auf, man freut sich, fühlt sich einfach nur wohl während der gemeinsamen Zeit und freut sich auf das nächste Mal. Und bei jedem Wiedersehen ist es, als wäre keine Zeit dazwischen vergangen, der erste Satz könnte im Grund lauten: »… was wollte
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