Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Neuigkeiten ließen einen zwar aufatmen, bedeuteten aber auf keinen Fall das Ende der Bedrohung durch den Kreis der Dämmerung.
Noch in Stuttgart hatte David sich mit zitternder Stimme – ganz der besorgte »Bruder« und »Schwager« – telefonisch nach dem Wohlbefinden von Mr Seamus und Mrs Gwen Montgomery erkundigt. Es fiel ihm schwer, seine Verstellung aufrecht zu erhalten, als eine Mitarbeiterin der Luftschiffgesellschaft ihm seinen Verdacht bestätigte: Das fragliche Paar gehöre bedauerlicherweise zu den Opfern des Unglücks. David nahm ungeduldig die Beileidsbezeigungen entgegen und verließ schnell die Telefonzelle. Wieder an der frischen Luft, atmete er befreit auf. Echte Freude wollte sich allerdings nicht einstellen, hatte doch ein junges Paar für seine und Rebekkas Freiheit sterben müssen.
Die wahre Ursache für das Hindenburg- Inferno sollte nie endgültig geklärt werden. Die amerikanischen und deutschen Behörden führten eine akribische Untersuchung durch, Teile des Wracks wurden sogar nach Ludwigshafen gebracht und dort eingehend analysiert. Auch David und Rebekka begaben sich an den Bodensee und führten Untersuchungen durch, jedoch etwas anderer Natur.
In Ludwigshafen gelang es David, einen Ingenieur der Zeppelin-Gesellschaft für sich zu gewinnen, einen gewissen Johannes Scheible, Die Hindenburg könne nicht von allein Feuer gefangen haben, vertraute dieser dem Wahrheitsfinder an. Es gebe hunderte von Zeugen, aber niemand habe einen Blitz in das Luftschiff einschlagen sehen. Statische Energie sei ebenfalls auszuschließen – das Feuer hätte dann beim Andockmast ausbrechen müssen, aber genau das Gegenteil war der Fall gewesen: Es breitete sich vom Heck her über das Luftschiff aus. Scheible verdächtigte die Briten, einen Anschlag verübt zu haben. Weil sie nach dem Debakel mit ihrer R 101 bei Beauvais vor sieben Jahren das eigene Luftschiffprogramm hatten einstellen müssen, hätten sie aus purem Neid der Hindenburg »ein Bömbchen ins Heck gepflanzt, um damit auch Deutschland aus dem lukrativen Zeppelinverkehr zu sprengen«.
Scheibles Schuldzuweisung an die Briten entsprang wohl eher einem nationalsozialistisch geprägten Wunschdenken als den Tatsachen. Wenn man alle fragwürdigen Hypothesen wegstrich, dann blieb eine begründete Annahme übrig: Die Hindenburg konnte sehr wohl einem Anschlag zum Opfer gefallen sein.
David brauchte nicht lange nachzudenken, um auf den Namen einer Verschwörergruppe zu kommen, der diese teuflische Tat zuzutrauen war.
Während die Untersuchungen in Ludwigshafen noch im vollen Gange waren, hatte David wieder Kontakt zu seinen »Brüdern« aufgenommen. Obwohl oder gerade weil er jetzt fast sicher war, für den Kreis der Dämmerung ein toter Mann zu sein, ging er dabei mit äußerster Vorsicht vor. Er wollte aus dem Verborgenen heraus operieren und im entscheidenden Moment plötzlich und für den Geheimbund völlig überraschend zuschlagen.
Zunächst musste sein »Codebuch« einem neuen weichen. Jetzt lieferte Aldous Huxleys Brave New World die Zahlenkolonnen für den Nachrichtenverkehr. Hitlers Träume von einem tausendjährigen Reich hatten die Auswahl des Buches nicht ganz zufällig beeinflusst.
Doch zuallererst wandte sich David an Sean Griffith. Der britische Diplomat half ihm, seine fast leere »Kriegskasse« wieder aufzufüllen. David erteilte ihm hierzu alle nötigen Vollmachten zum Verkauf einer seiner letzten englischen Immobilien.
Zu dem, was in Frankfurt vorgefallen war, konnte Sean leider nur unbefriedigende Erklärungen liefern. Ein »Maulwurf« – Genaueres zu seiner Identität dürfe er nicht verraten – habe buchstäblich in letzter Minute eine Warnung an Väterchen übermittelt: Bei der Gestapo existiere ein dickes Dossier über David Pratt und es gebe unbestätigte Gerüchte von einem Mordkomplott. Wilbur sollte den Pratts davon berichten und ihnen selbst die Entscheidung überlassen, ob sie mit der Hindenburg fliegen wollten. Aber seinem Verhalten nach musste der Agent die Luftreise als ein zu großes Risiko betrachtet haben. Er hatte versucht David und Rebekka zurückzuhalten, der Jesuit wiederum mit allen Mitteln diese Warnung zu unterbinden.
Der Mönch hatte also seinen bisherigen Wirkungskreis aufgegeben. Natürlich ließen sich nur Vermutungen darüber anstellen, wie lange der Jesuit ihnen schon in Deutschland nachspürte. David stand wieder einmal vor der schier unlösbaren Aufgabe, ein Phantom zu jagen.
Vorsichtig
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