Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
stellte er neben der Verbindung zu Sean auch einige der anderen Kontakte wieder her. Er informierte Lorenzo und Henry Luce, dass er sich noch in Deutschland befand, und reiste kreuz und quer durch das Reich. Nie blieb er länger als einige Tage an einem Ort. Zweimal traf er in Hamburg mit Sean Griffith und einmal mit Ferdinand Klotz zusammen.
Auch Heidelberg stattete David erneut einen Besuch ab. Das Gespräch mit Anton Fresenius war ihm nicht aus dem Kopf gegangen. Vielleicht gab es ja doch noch einen versteckten Hinweis bezüglich der Siegelringe. Leider konnte Fresenius nichts Neues aus dem Ärmel zaubern. Die wiederholten Konsultationen des exzellenten Kenners alter Handschriften führten jedoch dazu, dass aus anfänglicher Hilfsbereitschaft mehr wurde: David konnte den Doktor als »Bruder« gewinnen. Da Anton Fresenius ohnehin schon die Achse »Pratt – Luce« kannte, sollte er David in den nächsten Monaten als wichtige Relaisstation für den Nachrichtenverkehr mit der Time-Redaktion dienen.
Mithilfe des britischen Geheimdienstes sowie einiger anderer Personen gelang es David allmählich, sich dem Jesuiten zu nähern. Dabei machte er eine aufregende, aber eigentlich vorhersehbare Entdeckung: Der geheimnisvolle »Geistliche« steckte mit Franz von Papen unter einer Decke.
Einreiselisten und Meldeformulare halfen David die Spur des Jesuiten aufzunehmen. Sie führte von Frankfurt nach München, von dort nach Berlin, Hamburg, Hannover, wieder nach Berlin… Es dauerte eine geraume Zeit, bis David hinter den Grund für diese auffällige Reiselust kam. Der Jesuit pflegte für Papen die Kontakte, die dieser von Wien aus notgedrungen nicht wahrnehmen konnte. Dabei nutzte er geschickt die Kirchenorganisation, um neue Verbindungen herzustellen. Das Ziel all dieser Aktivitäten wurde auch bald klar: Erstens wollten Papen und der Jesuit – der über ein nahezu unbegrenztes Kontingent von Namen verfügte – Hitlers Macht weiter stärken und zweitens fahndeten sie nach David.
Im Februar 1938 besuchte David ein gerammelt volles Münchener Lichtspielhaus. Der Berg ruft war deshalb so beliebt, weil der Film noch nicht lange lief und Luis Trenker darin eben bei weitem besser aussah als jeder deutsche Mann, selbst wenn er kein Hitler-Bärtchen trug. David tat sich das Filmstück dennoch an, der dunkle Kinosaal schien ihm der ideale Ort für ein konspiratives Treffen. Er hatte sich mit einem Informanten verabredet, der zu Kardinal Faulhabers Mitarbeitern gehörte. Der Tipp stammte von Lorenzo. Markus Stangerl, selbst ein Geistlicher, lieferte neueste Nachrichten aus Österreich, genauer gesagt von Kardinal Innitzer.
In den Kirchenkreisen der Alpenrepublik rechne man mit einem baldigen »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich. Die Entwicklung sei »nicht unerheblich auf die emsigen Bemühungen Franz von Papens zurückzuführen«, berichtete Stangerl, während Luis Trenker über die Leinwand kraxelte .
»Und der Jesuit?«, flüsterte David, so leise es ging – einige der Kinobesucher hatten sich über ihr Getuschel bereits beschwert.
»Ist in Wien bei Franz von Papen…«
»Was! Und das sagen Sie mir erst jetzt?«
»Gewesen, Herr Fox. Sie sollten mich aussprechen lassen. Das spart Nerven. Monsignore Donatelli ist längst wieder abgereist.«
Donatelli? Und auch noch ein Monsignore. Ist ja mal was ganz anderes. Inzwischen verfügte der Jesuit über fast ebenso viele Namen wie David. »Haben Sie eine Ahnung, wohin der Monsignore gereist ist?«
»Soweit ich gehört habe, wollte er über Salzburg nach Berlin fahren.«
Ins Zentrum der braunen Macht. Das ist weniger neu. »Haben Sie sonst noch etwas herausgefunden, Herr Stangerl?«
»Nein, das ist alles. Warum können Sie mich eigentlich nicht ›Vater‹ nennen, wie alle es tun?«
David lächelte in die Dunkelheit. »Wie heißt es doch so schön? Ehre, wem Ehre gebührt. Das geht nicht gegen Sie persönlich, Herr Stangerl. Ich schätze Ihre Arbeit wirklich sehr. Ist mehr so eine Art allergische Reaktion gegen Ihren Berufsstand, die sich im Laufe der Zeit bei mir eingestellt hat.«
David machte sich ernste Sorgen, was Papens Unverwüstlichkeit betraf. Dass er sich unter anderem auch der katholischen Geistlichkeit bediente, um Europa das Herz herauszureißen, war für David ein klares Indiz dafür, wie stark das Gift des Jahrhundertplans schon fast jede Muskelfaser der Gesellschaft durchdrungen hatte. Konnte da überhaupt noch der zerstörerische Prozess
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