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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schmähliche Weise betrogen. Es ging dabei nicht um ein verletztes Ego, sondern um die schätzungsweise zehn Quadratkilometer Lebensraum, die von dieser schrecklichen Bombe verwüstet worden waren. Abertausende von Menschen hatten dort gelebt. Und waren in Sekunden ausgelöscht worden.
    Aber nicht nur dieser Gedanke raubte David den Schlaf. Was würde geschehen, wenn Hirohitos Kriegsrat starrköpfig blieb? Waren die Amerikaner skrupellos genug, um eine weitere Stadt dem Erdboden gleichzumachen? Er musste alles daransetzen, dies zu verhindern.
    Am nächsten Morgen um zehn bestieg David den Zug nach Tokyo. Erst auf der Fahrt sank er in einen unruhigen Schlaf, aus dem er immer wieder hochschreckte. Der Zug war auf dem Shimbashi-Bahnhof noch nicht ganz zum Stillstand gekommen, als David schon auf den Bahnsteig sprang. Er wollte so schnell wie möglich zum Kaiserpalast. Vor dem Shimbashi ergatterte er eine Rikscha. Geködert mit ein paar Extra-Yen gab der Läufer sein Bestes und schleppte seinen Gast im Eiltempo zum Palastbezirk.
    Mithilfe des Empfehlungsschreibens überwand David dann in Rekordzeit die Distanz von der Nijubashi-Brücke bis in Hirohitos Bibliothek. Überrascht war er allerdings, als der Leibgardist dort eine Tür öffnete, die unter die Erde führte.
    »Ein Bunker?«, fragte David den ihn begleitenden Oberst der kaiserlichen Leibgarde.
    Der nickte knapp. »Reine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Kann es sein, dass die Sicherheitsvorkehrungen erst gestern verschärft wurden?«
    Der Offizier sah ihn erstaunt an. »Sie wissen von dem Vorfall?«
    »Ich war dort, als es geschah.«
    Japaner zeigen gegenüber Fremden selten Gefühle, der Oberst machte für David eine Ausnahme und starrte ihn ungläubig an.
    »Bringen Sie mich bitte schnellstens zum Tenno.«
    Der Offizier ging voraus und sie betraten einen erstaunlich geräumigen Bunker. David wurde in einen schmalen Konferenzraum von etwa neun mal zwei Metern geführt und gebeten zu warten.
    Einige Minuten später trat Hirohito in Begleitung seines Geheimsiegelbewahrers ein. Der Kaiser wirkte blass und erschöpft. Dennoch schien er erleichtert, David lebend vor sich zu haben.
    »Ich hatte befürchtet, dich niemals wieder zu sehen, David-kun.«
    »Viele tausende deiner Untertanen werden nie mehr die Gelegenheit haben, dich wieder zu sehen, Hito-kun. Warum hat Japan immer noch nicht kapituliert?«
    An dieser Stelle mischte sich Kido ein. Der alte Berater des Kaisers war auffallend nervös und sein Ton alles andere als freundlich. »Bei allem Wohlwollen, das ich Ihnen gegenüber empfinde, Mr Murray, aber es steht Ihnen nicht zu, derartige Fragen an den Mikado zu richten.«
    David wandte sich dem Geheimsiegelbewahrer zu und erwiderte kühl: »Irgendjemand muss diese Frage aber stellen, oder wollen Sie, dass morgen mit Tokyo dasselbe geschieht wie gestern mit Hiroshima? Etwas in der Art wird sich nämlich ereignen.«
    Jetzt wurde auch Kido blass. Ehe er etwas erwidern konnte, ergriff wieder Hirohito das Wort. »Die Nachricht von der Katastrophe hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Erinnere dich meiner Reaktion bei Graf Nogis Tod und du weißt, was das bedeutet, David-kun. Wir haben noch keine genauen Zahlen über die Opfer, aber es dürften zigtausende unschuldiger Bürger ums Leben gekommen sein. Ich habe Kido-san gestern gesagt, dass wir uns unter diesen Umständen dem Unvermeidlichen beugen müssen. Meine persönliche Sicherheit ist dabei völlig unwichtig. Der Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederholt.«
    Sie hätte gar nicht erst stattfinden dürfen, Hito! David kämpfte eisern um seine Beherrschung. »Entschuldige, mein Freund, wenn ich mich wiederhole, aber weshalb hast du diesem sinnlosen Töten kein Ende bereitet?«
    Kido stieß zischend die Luft aus. »Wir sind alle betroffen von dieser Katastrophe, aber gerade wegen der persönlichen Sicherheit des Mikados hat der Kriegsrat der Kapitulation noch nicht zugestimmt. Marschieren die Amerikaner erst in Tokyo ein, werden sie Seine Majestät womöglich vor ein Kriegsgericht stellen und zum Tode verurteilen.«
    »Das wird nicht geschehen«, widersprach David. »Ich habe mit General MacArthur gesprochen. Er hat mir sein Wort gegeben.«
    »Geschah das vielleicht in einem Atemzug mit der Nennung des Angriffstermins auf Hiroshima?«
    Der Schlag hatte gesessen. David antwortete: »Ich würde nie zulassen, dass die Amerikaner Hirohito hinrichten.« Er wusste, wie

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