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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schwach diese Beteuerung in den Ohren des Geheimsiegelbewahrers klingen musste.
    Der Kaiser ging müde dazwischen. »Ich glaube dir, David-kun, und ich habe meinen Premierminister Suzuki angewiesen, alles Nötige in die Wege zu leiten, damit dieser Krieg so schnell wie möglich beendet wird. Auch den Premier hat die Nachricht von der Wunderwaffe der Amerikaner schwer getroffen. Er hat mir versprochen, sein Möglichstes zu tun.«
    David schloss für einen Moment vor Wut die Augen, »Sein Möglichstes? Hito, das könnte zu wenig sein.«
    »Gib uns etwas Zeit, mein Freund. Der Kriegsrat muss sich beraten. Eine Erklärung muss ausgearbeitet werden. Selbst wenn wir Tag und Nacht daran arbeiten, wird es einige Stunden dauern, vielleicht auch einen Tag.«
    David spürte, dass er im Augenblick nicht mehr erreichen konnte. Er nickte müde.
    Hirohito befahl Kido, sich um das leibliche Wohlergehen seines Gastes zu kümmern. Davids Kleidung war verschmutzt, seine Hose am Knie zerrissen. Er sah mindestens doppelt so erschöpft aus wie der Kaiser.
    Der Geheimsiegelbewahrer verneigte sich tief vor seinem Tenno und führte David zum nächstbesten Lakaien, an den er den Befehl seines göttlichen Herrn weitergab.
     
     
    David schlief in dem Bunker wie ein Murmeltier, allerdings nicht weil er sich in einem solchen Schutzbau besonders sicher fühlte, sondern weil er völlig erschöpft war.
    Am nächsten Morgen verließ er den kaiserlichen Zufluchtsort in Begleitung Hirohitos über eine Treppe, die im Unterholz des Palastgartens endete. Der Tenno erzählte seinem Freund, dass er sich trotz der Bombardements hier oben regelmäßig ergehe, um jene Ruhe zu finden, die er gerade jetzt so dringend zum Fällen schwer wiegender Entscheidungen brauche.
    David hatte sich gleich nach dem Erwachen ein Tagesziel gesetzt. Er musste Hirohito während ihres Spaziergangs zu einem Entschluss bewegen, der das weitere Dasein des Kaisers einschneidend verändern würde. Immerhin würde diese Entscheidung nicht nur ihm, sondern auch unzähligen seiner Untertanen das Leben retten. Nach einigen sorgsam gewählten einleitenden Worten brachte David das Unabwendbare auf eine einfache Formel.
    »Der Gott Hirohito muss abdanken, damit der Mensch Hirohito weiterleben kann.«
    Daraufhin schritten der kleine japanische Kaiser und sein hagerer englischer Ratgeber lange schweigend nebeneinander her. David ließ seinem Freund Zeit. Er konnte sich gut vorstellen, was in diesem Augenblick in Hirohito vor sich ging.
    Schließlich sagte dieser leise: »Ich habe mich nie für einen Gott gehalten, David-kun.«
    »Das weiß ich, mein Freund. Aber nun muss es auch dein Volk erfahren. Am besten lässt du unverzüglich eine Rundfunkansprache ausarbeiten, damit deinen Untertanen und den Alliierten gleicherweise die Ernsthaftigkeit deiner Entscheidung bewusst wird.«
    »Glaubst du wirklich, das könnte mein Land noch retten?«
    »Deine Männer sind für einen Gott gestorben. Sie haben sich mit ihren Flugzeugen auf die Schiffe des Feindes gestürzt, obwohl sie genau wussten, dass sie dabei ihr Leben verlieren. Wenn du deiner Göttlichkeit entsagst, wird gewissermaßen eine Fessel von ihnen abfallen. Ich zweifle keinen Moment daran, dass sie dir auch weiterhin die Treue halten, aber die obersten Militärs werden deine Untertanen nicht länger manipulieren können. Und die Alliierten werden diese Geste ganz sicher zu würdigen wissen. Dein Land hat eine reelle Chance für einen Neuanfang.«
    Hirohito dachte lange über Davids Vorschlag nach. Wieder – genauso wie damals am Shimbashi-Bahnhof – hatte der Wahrheitsfinder zum Wahrheitssucher gesprochen.
    Schließlich nickte Japans Kaiser ernst. »Du hast Recht, mein Freund. Ich werde deinen Rat befolgen.«
    Zwischen Entschluss und Tat liegen oft ganze Welten. Als David in Hirohitos Auftrag Premierminister Suzuki und Außenminister Togo aufsuchte, um ihnen den einzig vernünftigen Weg aus der Kriegsfalle aufzuzeigen, sträubten sie sich mit Händen und Füßen dagegen. David bot den Politikern an, selbst im Hintergrund zu bleiben. Wenn es zu einem Friedensschluss kam, sollten sie ruhig den ganzen Ruhm einheimsen. Selbst diese Zusicherung ließ sie noch zögern.
    Die beiden verlangten eine Sitzung des Kriegsrates, den man dann auch eilig einberief. David durfte als »Berater des Kaisers« und stiller Zuhörer an der Konferenz teilnehmen. Er wünschte sich allerdings bald, er hätte es nicht getan. Im Laufe der Sitzung traf die Meldung

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