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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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anstrengenden Abends. Ein Name und eine Kontaktadresse in Guatemala. Ach ja, und noch etwas: der Scheck über eine Million Dollar-David hatte zuerst nicht gewusst, was er von dem unerwarteten Geschenk halten sollte. Gonzales’ Arm über der Schulter hatte er den bleifüßigen Jungmillionär durch Havannas nächtliche Straßen nach Hause geschleift. Die Sommernacht war lau, nein, heiß! Irgendwann zog David sein Jackett aus, weil die Plackerei ihm den Schweiß aus allen Poren trieb. Auf seine Glücksfee gestützt ratterte Gonzales die wichtigsten Wünsche herunter, die er sich mit dem Geld erfüllen wollte. Unweit des Hotels, in einer David fremden Straße, hatte der Kubaner dann endlich den Namen herausgerückt.
    Manuel Barrios musste in Guatemala ein Mann von Einfluss sein. Wenn man Gonzales glaubte, war er der Nachfahre eines auf David zwielichtig wirkenden Präsidenten aus dem letzten Jahrhundert, der eine Schwäche für einen der ältesten guatemaltekischen Bräuche gehegt hatte: den gewaltsamen Umsturz von Regierungen. Unter dem freundlichen Etikett eines liberalen Machthabers hatte sich Justo Rufino, der Urgroßvater des besagten Manuel, zum Oberbefehlshaber der Armee aufgeschwungen und hinfort von einer Art großmittelamerikanischem Reich geträumt, in das er nicht weniger als fünf bis dahin unabhängige Staaten eingliedern wollte, unter seiner Führung, versteht sich. Wie andere Gleichgesinnte konnte Justo Rufino Barrios seine Machtphantasien nicht verwirklichen, er starb vorzeitig: 1885 wurde er fünfzigjährig während des Eroberungsfeldzuges gegen El Salvador getötet.
    Karrierepläne wie die des kurzlebigen Präsidenten passten in ein nur zu bekanntes Raster. Während Gonzales von den vielfältigen Geschäftskontakten seines guatemaltekischen Auftraggebers in Kuba schwafelte, musste David unweigerlich an das schriftliche Vermächtnis seines Vaters denken, Lord Belial hatte seinen Jahrhundertplan nur drei Jahre vor Barrios’ Tod ausgerufen und bei dieser Gelegenheit von Negromanus auch gleich den bisherigen Südamerikavertreter des Geheimbundes ermorden lassen.
    Allmählich begann ein Bild in Davids Kopf Form anzunehmen, wenn auch manche seiner Überlegungen noch sehr spekulativ waren. Es erschien ihm sehr unwahrscheinlich, dass Belial den ausgeschiedenen Grafen Zapata nicht durch einen neuen Mann in Süd- oder Mittelamerika ersetzt haben sollte. Der Bund brauchte zwölf Mitglieder. Wäre ein machtbesessener General nicht der geeignete Kandidat für den vakant gewordenen Posten, vorausgesetzt, er verschwände aus der Öffentlichkeit, möglicherweise durch einen fingierten Heldentod auf dem Schlachtfeld…?
    Man kann sich vorstellen, wie sehr diese Gedankengänge David in Hochstimmung versetzten. Mehr sogar als der Millionenscheck in seiner Jackentasche. Gonzales schien sich einem ziemlich verquasten Ehrenkodex unterworfen zu haben. Eine Beute musste geteilt werden, also hatte er David – wohl in der Hoffnung, bald seine Investition wieder einspielen zu können – heimlich die Hälfte des Gewinns zugesteckt. In den Augen des Chefcroupiers waren David und Gonzales Komplizen, die den Gewinn ihres Spielbetrugs ohnehin teilen würden. Vielleicht hatte er weitere Komplikationen mit den beiden vermeiden wollen und deshalb gleich zwei Schecks ausgestellt. Möglicherweise durfte er aber auch schlicht keine einzelne Zahlungsanweisung ausstellen, die den Betrag von einer Million Dollar überstieg. David würde wohl nie erfahren, welcher glücklichen Fügung er seinen Geldsegen verdankte, und eigentlich interessierte es ihn auch nicht.
    Die Glücksfee wider Willen hatte nämlich längst einen Entschluss gefasst. David wollte niemals wieder in seinem Leben eine Spielbank betreten. Er hatte sich da in etwas hineinziehen lassen und ja auch bekommen, was er haben wollte, aber der Zweck heiligte nicht alle Mittel. Ihm war keineswegs entgangen, wie sehr inzwischen das Sinnen und Streben der Menschen vom rein Materiellen bestimmt wurde. In New York hatte er im Fernsehen Rateshows mitverfolgt, bei denen Kandidaten mit lachhaft simplen Fragen geködert wurden. Als Preise winkten immense Sach- oder Geldgewinne. Wenn das so weiterging, würde man bei ähnlich fragwürdigen Veranstaltungen eines Tages vielleicht sogar Millionen verschleudern!
    Alles, was das Menschsein für ihn ausmachte – Literatur, Musik, ja, jede Form von Kunst; anregende Gespräche über den Ursprung und Sinn des Lebens; der umsichtig planende und

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