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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wählte die ihm von Gonzales anvertraute Nummer. Sie gehörte zu einer Firma, die unter dem Namen ihrer beiden Eigner Mendez und Barrios geführt wurde und im Bananengeschäft beachtliche Erfolge erzielt hatte. Davids Recherchen zufolge war Mendez & Barrios sogar das größte unabhängige Unternehmen dieser Art im ganzen Land. Dem Attribut »unabhängig« kam in diesem Zusammenhang besonderes Gewicht zu, übte die US-amerikanische United Fruit Company doch noch immer eine beherrschende Rolle aus. Manche behaupteten sogar, in Wirklichkeit regiere sie mit ihren fruchtig grünen Dollars das Land.
    Der offizielle Machthaber, Jacobo Arbenz Guzman, ein demokratischer Reformer, setzte sich für eine schnellere und vor allem unabhängigere Entwicklung Guatemalas ein, was bei der United Fruit auf wenig Gegenliebe stieß. In jüngster Zeit machten kunstvoll gesponnene Lügen die Runde. Es wurde gemunkelt, Guzman befürworte eine kommunistische Machtübernahme. Das Trauma des Koreakrieges hatte in den Vereinigten Staaten einen Kommunistenhass entfacht, der in regelrechten Hexenjagden kulminiert war. Die Rolle des Großinquisitors in diesem Trauerspiel hatte dabei ein US-Senator namens Joseph Raymond McCarthy übernommen, der gerade wegen Begünstigung im Amt selbst unter Anklage stand.
    Unter diesen Vorzeichen verwundert es nicht, dass David Guatemala so schnell wie möglich wieder verlassen wollte, Gerüchte von einem bevorstehenden Militärputsch waren im Umlauf Die United Fruit hatte genügend Geld, ein Söldnerheer aufzustellen und Guzman in die Bananen zu jagen. Wenn das geschah, wollte David möglichst außer Landes sein.
    »Barrios?«, meldete sich eine hohe männliche, nicht unangenehme Stimme aus dem Hörer.
    »Perdon«, antwortete David. Damit war sein spanischer Wortschatz auch schon erschöpft. In einem Englisch mit unüberhörbar deutschem Akzent fuhr er fort: »Mein Name ist Siegfried Schwertfeger. Spreche ich mit Señor Manuel Barrios?«
    »Am Apparat«, antwortete dieser knapp.
    David holte tief Luft. »Ich bin ein Bote. Es geht um den Kreis. Ich muss Sie dringend sprechen.«
    »Bitte?«
    Die offenkundige Verwirrung auf der anderen Seite der Leitung verunsicherte David. »Es geht um unseren deutschen Bruder. Er steckt wieder in Schwierigkeiten.«
    Ein leises Knacken in der Ohrmuschel war alles, was David hörte. Vielleicht gibt es ein Losungswort und dieses Schlitzohr von Gonzales hat nichts davon erwähnt.
    Endlich: »Wir unterhalten zahlreiche enge Geschäftsbeziehungen auch zu deutschen Partnern. Wer genau hat Sie geschickt?«
    David schluckte. Eine falsche Antwort und er hatte ein Mordkommando am Hals. »Ich kann den Namen am Telefon nicht nennen. Aber mein Auftraggeber hat mir eine Legitimation ausgehändigt.« Er wartete einen Moment. »Sie ist mit einem Siegel versehen.«
    Wieder herrschte längeres Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann fragte Barrios: »Können Sie mir dieses Siegel beschreiben?«
    »Ja, es besitzt die Form einer Rosette mit zwölf Blütenblättern, von der Mitte an abwärts durchbrochen.«
    Die nächste Pause. Diesmal dauerte es besonders lange. Schließlich die erlösenden Worte: »Kommen Sie morgen früh um acht Uhr ins Foyer des Camino Real. « Barrios gab einige detaillierte Anweisungen und schloss mit der Frage: »Wo befinden Sie sich momentan?«
    »Im südlichen Zentrum von Guatemala-Stadt.«
    »Ich verstehe. Wenn Sie ein Taxi nehmen müssen, steigen Sie mindestens zehn Gehminuten vom Hotel entfernt aus. Es liegt an der Avenida La Reforma, Ecke 14. Calle, in der Zona 10.«
    »Ich werde es finden.«
    »Da wäre noch etwas, Herr Schwertfeger.«
    »Ja?«
    »Bringen Sie ein wenig Gepäck für den Fall mit, dass ich Ihre Legitimation akzeptiere. Und vergessen Sie den Abendanzug nicht.«
    Die Reisetasche in seiner Hand schien immer schwerer zu werden. Sie enthielt zwar nur wenige Habseligkeiten, aber die Avenida La Reforma war dafür umso länger. Zur eigenen Sicherheit hatte er verschwiegen, dass er im Mansion San Carlos residierte. Das Hotel lag am selben Boulevard wie das Camino Real, nur viel weiter südlich. Es war ein sonniger Freitagmorgen. Nur in der Ferne hing die dunkle Rauchsäule des Pacaya am Himmel.
    Am Abend zuvor, während eines Spaziergangs im Parque Centroamerica, hatte David sich noch einmal seinen Plan zurechtgelegt. Er musste sich so konspirativ wie möglich verhalten, wie jemand, der hinter jedem Winkel einen Spion vermutet. Wenn es nötig war, würde er

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