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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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einliefen, einen altehrwürdigen Bau, dem man schon von außen ansah, wie viele arme Schlucker ihn mit ihrem Geld beglückt hatten. Unter funkelnden Kristalllüstern wurden hier tausende und abertausende von Dollars verspielt, vornehmlich von wohl betuchten Amerikanern. David müsse sich als Glücksfee beweisen, hatte Gonzales gefeixt und dabei einen weibischen Tanz aufgeführt, der die Gäste im Buena Vista Social Club sofort zum Mitmachen animierte. Hier, im Spielkasino, ging es wesentlich steifer zu.
    Das Patenkind der Glücksfee steuerte zielstrebig einen zentral gelegenen Roulettetisch an. Schon auf dem Weg zur Spielbank hatte es verlauten lassen, das es zu den regelmäßigen Gästen des »Zockertempels« gehöre. David hatte ein eher gespaltenes Verhältnis zu den meisten Formen des schnellen Gelderwerbs. Kaum hatte Gonzales die Roulettescheibe erreicht, setzte er auch schon die ersten Jetons – und verlor seinen Einsatz. Er lachte. Den Wohltäter brauner Kriegstreiber wollte er aber noch immer nicht preisgeben. Die nächsten Spielmarken wurden gesetzt – und eingebüßt. Gonzales knirschte mit den Zähnen. Er schob vier oder fünf weitere der schillernden Chips auf eines der grünen Felder des Tisches. Zum dritten Mal fühlte er sich von der Achtundzwanzig angezogen, obwohl diese ihm doch so wenig Sympathie entgegenbrachte. Er verlor abermals.
    »In Österreich scheint man nicht zu wissen, wie Fortuna zu bezirzen ist«, fauchte Gonzales. Seine Stimmung näherte sich dem Tiefpunkt. Es sah nicht danach aus, dass er in absehbarer Zeit mit seiner »Belohnung«, dem ersehnten Namen, herausrücken würde.
    David funkelte das in Quadrate und Rechtecke aufgeteilte grüne Filztuch zornig an, als wäre es persönlich an seiner verzwickten Lage schuld. Selten hatte ihn die Dekadenz der so genannten besseren Gesellschaft derart angewidert wie in diesem Augenblick. Steifhalsige Herren glotzten in die tiefen Dekolletees ihrer kichernden Begleiterinnen und pafften dabei dicke Havannazigarren. Aus dem stinkenden blauen Dunst ertönte die höfliche Aufforderung des Croupiers, sich der letzten Ersparnisse zu entledigen. David wäre am liebsten aus dem Saal gestürmt. Erschrocken starrte er auf die zitternde Hand des Kubaners, die sich mit den verbliebenen Jetons erneut der Achtundzwanzig näherte.
    »Halt!« Er hatte den Arm des angetrunkenen Mannes gepackt und hielt ihn mit eisernem Griff fest.
    »Was soll das, Veit? Sie tun mir weh!«, zeterte Gonzales mit schwerer Zunge.
    »Warten Sie.«
    »Von wegen! Wir haben eine geschäftliche Vereinbarung: Sie bringen mir Glück und ich gebe Ihnen dafür den Namen.«
    David sprach aus, was er bereits lange vermutete: »Das haben Sie doch nur so dahingesagt, um mich in diese Spielhölle schleppen zu können.«
    Gonzales blickte wie im Fieberwahn auf die sich drehende Roulettescheibe. »Ich halte mein Wort. Lassen Sie mich gewinnen und ich erzähle Ihnen von einer neuen Welt.«
    »Also gut«, sagte David angewidert. Der Kerl meint, was er sagt. »Setzen Sie die verdammten Dinger.«
    Gonzales’ Hand wollte sich aus der Umklammerung befreien, um auf der Achtundzwanzig zu landen, aber David hielt sie noch zurück. Seine Augen waren zu zwei schmalen Schlitzen geworden. Er beobachtete den Croupier, formte mit den Lippen lautlose Worte, wartete… »Setzen Sie auf die Neun, schnell!«
    Der so plötzlich von der Leine gelassene Glücksjäger fiel fast auf den Spieltisch. Seine Hand kurvte über den grünen Filz und lud die Jetons auf dem vorbezeichneten Platz ab.
    Im nächsten Moment rief der Bankhalter am Tisch:
    »Rien ne va plus.« Die Noch-Eigentümer der Spielchips blickten erwartungsvoll auf die sich drehende Scheibe und die gegenläufig kreisende Elfenbeinkugel. Dann verlor die Glücksmurmel an Kraft und stieß gegen ein rautenförmiges Hindernis auf ihrer Bahn. Sie sprang hoch und fiel schließlich klappernd in ein kleines Fach mit der Ziffer Neun.
    Gonzales begrüßte seinen Gewinn mit einem lauten Aufschrei, der am Tisch etliche Augenbrauen missbilligend in die Höhe schnellen ließ. Ein Paar verließ degoutiert die Arena.
    »Jetzt haben Sie Ihren Gewinn«, raunte David, »und nun lassen Sie uns gehen.«
    Gonzales entwand sich der Hand des anderen und erwiderte: »Ich will wenigstens meinen Verlust von heute Abend wieder einspielen.«
    »Aber Sie haben einen Volltreffer gelandet, das müsste doch längst reichen.«
    Gonzales reagierte auf den Protest der Glücksfee mit trotzigem

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